Allgemeine Übersicht und Hinweise
Jäger und Sammler
Freizeit ...Grenzenlos ...
Begrenzt ...
Freizeit
in den 60ern war rar. Die Samstage waren noch normale Arbeitstage. Schulfreie Samstage gab es die
ganzen 60er-Jahre nicht (Abbildung links: Mein Stundenplan der 6. Klasse).
Waren die Vormittage mit Schulunterricht vollgestopft, saß man an den Nachmittagen oft
stundenlang an den Hausaufgaben.
Genaugenommen war nicht einmal der Sonntag ein freier Tag. Nach dem obligatorischen
Kirchgang am Vormittag galten für den Rest des Tages vielfältige Regelungen wie vorgeschriebene
Bekleidungsordnung, Verbot der Verschmutzung jener Bekleidung, Anwesenheitspflicht bei Verwandtenbesuchen usw.,
was den Umfang und die Art der Freizeitaktivitäten stark einschränkte.
Freizeit unterteilte sich generell in
"draußen" und "drinnen". Die eigentliche Freizeit war "draußen", "drinnen" nur eine notgedrungene Alternative
bedingt durch unabänderliche äußere Einflüsse wie Sonntage, extrem schlechtes Wetter oder Krankheit. Spielgefährten für "drinnen" waren nur schwer zu bekommen, so dass man sich
"drinnen" meist alleine beschäftigen musste. "Drinnen" drohte ständig das Gespenst Langeweile. Ganz anders "draußen".
"Draußen" war Freizeit mit einem Hauch von Freiheit.
Grenzenlos
erschien uns die Welt "draußen", die wir wahlweise als Indianer, Trapper, Wüstenkrieger (an besonders heißen
Tagen) oder Pirat durchstreiften. Grenzen setzten allenfalls die "Mittagessen-" und die "Zuhause-sein-müssen-Zeit",
die wir aufgrund fehlender Uhrwerke mehr- oder weniger gut einzuschätzen lernten, mitunter aber auch schon
mal komplett vergaßen, was uns häufig lange Strafpredigten einbrachte. Feste Regeln
für diese Spiele
gab es nicht und die einzige Voraussetzung war etwas Fantasie über die wir zu jener Zeit noch im Übermaß
verfügten. Die Helden, die wir verkörperten, entstammten meist aus Büchern, seltener aus Comics und
ganz selten aus TV-Serien.
Keiner wusste, wo wir waren und am liebsten waren wir an den Plätzen, vor denen
uns unsere Eltern warnten und uns verboten dorthin zu gehen (Ohne die Warnungen und Verbote hätten wir von diesen
Plätzen oft gar nicht erfahren). Angst hatten wir keine (oder nur ganz selten und nur ein
klein wenig), denn wir waren ja Helden und außerdem bewaffnet. Unsere Waffen waren Pfeil und Bogen, Speere oder Steinschleudern.
Speere und Pfeile hatten wir mit Messern scharf gespitzt. Sie hätten dem Gegner schwere Wunden zugefügt, wenn sie denn getroffen hätten.
Aufgrund der spitzen Spitzen waren sie vorne leichter als hinten, so dass ihre Flugbahn sehr instabil und sie deshalb nur für
sehr kurze Distanzen geeignet waren. Weiter und genauer konnte man mit den Schleudern, die wir aus Astgabeln und Gummi von
Fahrradschläuchen gebaut hatten, schießen.
Tote und Schwerverletzte gab es, trotz der Prophezeiungen
unser Eltern, außerhalb unserer Fantasie keine. Die einzigen Verletzungen holte man sich selbst beim Spitzen
der Pfeile und Speere mit dem Messer. Auch wurden wir, entgegen der Erwartungen vieler Erwachsener nicht
entführt oder ermordet, noch holten wir uns, wie uns vorausgesagt, schwere Krankheiten wie Typhus oder
Cholera. Irgendwie haben wir überlebt und das ohne Handy, weitab von zu Hause.
Wir durchstreiften die Prärie, Urwälder und dichte Dschungel auf der Jagd
nach Abenteuern und wilden Tieren, als da waren Stichlinge, Molche, Salamander, Eidechsen und anderes
Getier, das wir eine zeitlang in Einmachgläsern oder Kartons gefangen hielten, um es dann unversehrt
wieder in die freie Wildnis zu entlassen. Tiere mit nach Hause zu bringen war streng verboten. Zwar
wurden mit Vorliebe Tiersendungen im Fernsehen wie "Auf den Spuren seltener Tiere" oder "Ein Platz
für Tiere" geschaut, aber in der eigenen Wohnung war außerhalb des Fernsehens kein Platz dafür.
Neben dem Jagen war das Sammeln unsere große Leidenschaft. Gesammelt wurde fast alles, was in unsere
Hände fiel und einen gewissen Tauschwert besaß. Ein beliebtes Sammelgebiet waren Briefmarken, die wir
von Postkarten und Briefumschlägen ablösten, die damals in der SMS- und handylosen Zeit noch vielfach
in Umlauf waren. Für ca. 2 DM bekam man ein kleines Briefmarkenalbum und für etwa ebenso viel konnte
man sogenannte "Kiloware" kaufen. Das war ein Beutel voller Briefmarken, meist noch nicht abgelöst
mit vielen mehrfach vorkommenden Stücken. Einige größere Jungs besaßen einen Michel-Katalog, in dem
wir unsere Wunschmarken heraussuchen und den Wert unserer Sammlung ermitteln konnten. Häufig war das
Briefmarkenalbum wertvoller als der Inhalt. Aber wir hatten ja Zeit und irgendwann würden die
gesammelten Marken sehr alt und wertvoll werden (so in ein paar Jahrhunderten).
Am eifrigsten
wurden Comics gesammelt, die wir in Schuhkartons aufbewahrten, unterteilt in eigene, geliehene und
zu tauschende. Comics waren das Kultobjekt der 60er, deswegen ist ihnen auch eine eigene Seite
gewidmet.
Schließlich gab es noch kleine Sammelbilder mit unterschiedlichsten Motiven, von
Tierbildern bis zu Fußballstars. Große Bedeutung hatten zu dieser Zeit die "Winnteou-Bilder",
Sammelbilder mit Motiven aus den Karl-May-Filmen, die zu dieser Zeit in den Kinos liefen.
Begrenzt
wurde unser "Draußen" mit fortschreitenden Jahren immer weiter. Selbst in kleineren Städten
und Dörfern nahm der Straßenverkehr zu. Immer öfter musste man beim Seilspringen, Federball
oder anderen Straßenspielen vorbeifahrenden Autos Platz machen. Dampfwalzen und Teermaschinen
asphaltierten auch die Seitenstraßen. Bürgersteige wurden befestigt. Die Pfützen, in denen
wir mit Gummistiefeln herum stampften und Papierschiffchen auf große Fahrt schickten, verschwanden.
Zum Murmelspielen musste man immer weitere Wege zu den letzten unbefestigten Plätzen oder Bürgersteigen
in Kauf nehmen und mit der Zeit verschwand das Murmelspiel aus dem Spielplan der Kinder. Bolzplätze wurden
eingezäunt und bebaut. Selbst vom Schulhof wurde man jetzt nach Unterrichtsschluss verjagt.
Als Entschädigung entstanden spezielle, künstliche Spielbereiche für Kinder: die Spielplätze,
mit Schaukeln, Klettergerüsten und -netzen, Stehkarussells zum selbst anschieben und natürlich
viel Sand, den man vor dem Nachhause gehen überall abklopfen und aus den Schuhen schütteln musste.
Die ersten Spielplätze wurden bei uns vorwiegend von Mädchen benutzt. Wir Jungs verlagerten unsere
Jagdgründe weiter ins Umland, wo wir ungestört bolzen, Lagerfeuer anzünden oder in Bächen
und Tümpel Molche und Frösche jagen konnten.
Heute sind die Abenteuerplätze von einst, wenn nicht
bebaut, verwildert und vergessen. Nachfolgende Kindergenerationen verlagerten ihre Aktivitäten immer mehr
von "Draußen" nach "Drinnen". Aus den Straßenkindern wurden die TV-Kids.
Weitere Informationen über das Leben in den 60ern finden Sie unter Zeitgeschichte
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