Allgemeine Übersicht und Hinweise




Wandel und Aufbruch


waren in den 60ern allgegenwärtig. Sie betrafen alle Bereiche kindlichen Lebens, von der Familie über Schule, Mode und Technik.

Nachdem der 2. Weltkrieg das Land in Schutt und Asche gelegt hatte, dauerte es eine Weile bis sich die Gesellschaft von ihren Wunden erholt hatte und wieder zuversichtlich in die Zukunft blickte. Durch das Wirtschaftswunder konnten sich die Menschen wieder etwas leisten. Das Fernsehen hielt Einzug in das Familienleben, die Musik erklang immer häufiger in Stereo und in neuen, ungewohnten Rhythmen wie Twist, Beat oder Rock, neue Comic-Serien wurden reihenweise herausgebracht, TV-Serien und Comic-Helden aus Amerika, Beatgruppen aus England bereicherten die Jugend. Es war ein Nebeneinander von Altem und Neuem, Tradition und Moderne, reaktionärem Bewahren und kämpferischem Aufbruch. Alles schien möglich, von der Besiedlung des Weltalls bis zum Atomkrieg.

Es war eine interessante Zeit, mit großen gesellschaftlichen und politischen Ereignissen und Veränderungen. Hier sind nur einige kleine (von Historikern häufig übergangene) Ausschnitte davon.

In der Schule ...
In der Mode ...
In der Technik ...
In der Gesellschaft ...

In der Schule

wurde der Schuljahresbeginn von Frühling auf den Spätsommer verlegt, was in den Jahren 1966 und 1967 zwei Kurzschuljahre (mit 8 Monaten statt 12 Monaten) mit sich brachte. Diese Umstellung vom Frühling auf den Herbst erfolgte in allen alten Bundesländern. Einzige Ausnahme war Bayern. Die Bayern hatten nach dem Krieg, den Schuljahresbeginn erst gar nicht wieder auf den Frühling verlegt (im Deutschen Reich war ab 1941 der Schuljahresbeginn einheitlich im Herbst). Die Umstellung führte damals auch dazu, das im Jahre 1966 zwei Jahrgänge ihr Abitur machten, die ersten im Frühling und die zweiten im Herbst. Das eingesparte Schuljahr wurde jedoch durch das neu eingeführte 9. Pflichtschuljahr gleich wieder einkassiert. Aus der Volksschule wurde die Grundschule für die Kleinen (1. bis 4. Klasse) und die Hauptschule für die Großen (5. bis 9. Klasse). Aus der Mittelschule wurde die Realschule. Aus der Naturlehre wurde Physik und aus der Naturkunde Biologie.

In dieses Fach wurde dann ab Ende der 60er-Jahre die Sexualkunde integriert. Dort wurden Kinder "aufgeklärt", indem man ihnen Sachen erzählte, die sie schon wussten, aber noch nicht wissen durften, auf eine derart technisch-abstrakte Weise, dass sie, hätten sie es nicht schon gewusst, nach der "Aufklärung" auch nicht viel schlauer gewesen wären, als zu der Zeit, wo sie das, was sie noch nicht wissen durften, noch nicht wussten.

Das dreigliedrige Schulsystem mit Volkschule, Realschule und Gymnasium war noch weit verbreitet. Die Gymnasien waren noch streng nach Geschlechtern getrennt. Die Jungen gingen auf ein Jungen- und die Mädchen auf ein Mädchen-Gymnasium.
Auch in den gemischten Klassen der Haupt- und Realschulen gab es zwischen den Geschlechtern noch Unterschiede bei den Lehrinhalten. So stand bei den Mädchen Handarbeit und bei den Jungen Werken auf dem Stundenplan.

Die Schulsachen und das Pausenbrot steckten noch im festen, braunen Lederschulranzen. Die bunten Designer-Schulranzen mit den modischen Motiven und den kräftig leuchtenden Reflexstreifen von Scout, McNeill, 4You, Eastpak oder anderen Modemarken gab es noch nicht.

Der autoritäre Unterrichtsstil, für etliche Jungs noch verbunden mit Kopfnüssen, Ohrfeigen oder an-den-Ohren-Ziehens, wurde im Laufe der 60er durch einen immer mehr antiautoritär ausgerichteten Unterichtsstil ersetzt. In den nicht-naturwissenschaftlichen und den nicht-fremdsprachlichen Fächern, also insbesondere Deutsch und Politische Bildung, trat als Lehrmittel die Diskussion immer stärker in den Mittelpunkt. Diskutiert wurde um des Diskutierens Willen. Der Inhalt war nicht von Bedeutung, ein Ergebnis oder halbwegs greifbarer Konsens nicht zu erkennen (Viele heutige Politiker müssen damals zur Schule gegangen sein).

Über den Link Schule oder die rechte Navigationsleiste gib es weitere Informationen über die Schule in den 60ern.

In der Mode

wurden aus Manchester-Hosen die Cord-Hosen und aus Cowboy-Hosen die Jeans, jene Hose die zum Inbegriff jugendlicher Mode in den 70ern wurde. Doch das Jeans-Zeitalter war für uns noch fern. Die Hose für Jungs in den 60er Jahren war die "Sepplhose", eine kurze Lederhose, die Sepplhose von Mai bis Oktober getragen und nur zur Nacht oder an Sonn- und Feiertagen abgelegt wurde und im Gegensatz zu anderen Hosen auch nie gewaschen werden musste. Sepplhosen waren robust und kaum kaputt zu kriegen. Je abgetragener und speckiger die Hosen waren, umso angesehener waren unter den Jungs ihre Träger.

Zu den Hosen trugen wir Hemden, im Sommer mit kurzem und im Winter mit langem Arm. T-Shirts tauchten zwar auch schon langsam auf, kamen aber erst in den 70ern so richtig in Mode. Problematisch war für uns Jungs die Sonntagsbekleidung. Sie reichte von Anzügen über die verschiedensten Jacken und Mäntel, bis hin zu nervigen Utensilien wie Krawatten, Fliegen und Hüten. Mädchen trugen fast immer Kleider oder Röcke (Anmerkung zur Abbildung rechts: das Foto entstand nicht! in Oberbayern).

Zu unserer Entschuldigung muss man jedoch anführen, dass Kinder in den 60ern wenig bis keinen Einfluss auf ihre Bekleidung hatten und dem Geschmack ihrer Mütter, Tanten und Großmütter ausgeliefert waren. Erst gegen Ende der 60er wurden auch wir modebewusster. Markanteste Entwicklung: die Röcke der Mädchen wurden kürzer (Mini) und die Haare der Jungen länger.

In der Technik

wurden wir Weihnachten für Weihnachten jedesmal aufs Neue Zeugen wissenschaftlichen Fortschrittes. Musste man zu Beginn der 60er seine Fahrzeuge noch manuell oder durch Zuführung mechanischer Energie über Schwungräder, entweder durch mehrfaches in kurzen Abständen erfolgendes Anschieben oder durch Weihnachten Aufziehen mit einem Schlüssel (Pech, wenn man den Schlüssel verschlampt hatte) in Bewegung setzen, wurde einem zu späteren Weihnachtszeiten die körperliche Arbeit durch Elektrizität abgenommen. Batterien direkt in die Fahrzeuge eingesetzt und den Stromkreis durch einen Schalter geschlossen, ließen die Spielzeuge selbständig fahren, brummen und blinken. Einige waren durch ein Kabel mit einem externen Batteriekasten verbunden, der neben dem Ein- und Ausschalter noch ein kleines Rad besaß, mit dem man die Fahrzeuge steuern konnte. Man musste ihnen jedoch, da das Kabel nie besonders lang war, ständig hinterherlaufen.

Die Energieeffizienz damaliger elektrischer Spielgeräte war allerdings noch nicht besonders ausgeprägt. Meist waren die Batterien erschöpft noch bevor die Weihnachtsfeiertage vorüber Puppen waren. Das Non-plus-ultra technischer Errungenschaften aber war für uns damals eine elektrische Eisenbahn von Märklin oder Fleischmann oder eine Autorennbahn von Carrera.

Aber nicht nur die Spielsachen wurden elektrisch. Die Anfang der 60er in den Wohnungen zur Beleuchtung der Weihnachtsbäume eingesetzten Kerzen wurden durch elektrische Lichterketten mit kerzenähnlichen Lämpchen ersetzt. Zwar ging damit die warme, heimelige Atmosphäre des Kerzenlichtes sowie der rauchige Duft ausgeblasener Kerzen verloren, die Gefahr brennender Weihnachtsbäume wurde jedoch stark verringert. Die Christbäume konnten jetzt länger und auch unbeaufsichtigt leuchten.

Mädchen waren von der fortschreitenden Technik noch weitgehenst ausgeschlossen. Sie bekamen zu Weihnachten Puppen (keine Barbies!), Steiff-Tiere oder Kaufmannsläden.

In der Gesellschaft

gab es Anfang der 60er immer noch Fremde im eigenen Land. Schon sehr früh lernten wir, noch zu Beginn der 60er Jahre, das es zwei Arten von Menschen gab: Zum einen die Einheimischen oder Hiesigen und zum anderen die Flüchtlinge, Deutsche aus dem Osten, aus Schlesien, dem Sudetenland, Pommern oder Ostpreußen, die nach dem Krieg bei den Einheimischen einquartiert wurden. In den 60ern hatten sich die Flüchtlinge in Siedlungen am Rande des Ortes inzwischen eigene Häuser gebaut oder wohnten zur Untermiete. Einquartierungen und Flüchtlingsbarracken gab es nicht mehr. Dennoch pflegten die Angehörigen der einzelnen Gruppen meist nur untereinander engeren Kontakt und es war schwer als Außenstehender in nähere Bekanntschaft mit Mitbürgern der anderen Gruppe zu kommen. Auch die Hochzeiten fanden in diesen Jahren noch ausschließlich innerhalb der einzelnen Gruppen statt.

Häufig wurde uns Flüchtlingskindern von Erwachsenen, etwa unseren Lehrern, die Frage gestellt: "Bist du ein Flüchtling?" und wir antworteten dann immer mit ja, obwohl wir selbst ja hier geboren und niemals irgendwohin geflüchtet waren. Unter uns Kinder galten diese Grenzen jedoch nicht mehr. Spielgemeinschaften, Banden, Freundschaften bildeten sich unabhängig von der Herkunft und dem sozialen Status der Familie, aus der die Kinder stammten. Dass es solche Unterschiede gab, erfuhren wir Kinder nur aus den Gesprächen der Erwachsenen und aus einigen vereinzelten Ermahnungen von Hiesigen an ihren Nachwuchs: "Spielt nicht mit den Flüchtlingskindern!".

Mitte der 60er tauchten bei uns die ersten Ausländer auf. Auf der Volkschule hatten wir zwei ausländische Mitschüler, einen Spanier und einen Griechen. Sie sprachen sehr gut deutsch und hatten keinerlei Integrationsprobleme. Während meiner ganzen Schulzeit bis in die 70iger blieben ausländische Mitschüler aber noch Einzelfälle. Eine kulturelle Bereicherung durch ausländische Mitbürger erlebten wir Kinder vor allem durch die neu eröffneten italienischen Eiscafes. Es gab jetzt nicht mehr nur Eis am Stiel oder in kleinen Pappbechern, sondern auch Eiskugeln in Waffeltüten. Die Auswahl beschränkte sich auch nicht mehr auf die klassischen Sorten Vanille, Schoko, Erdbeer. Es gab jetzt eine Vielzahl von Eissorten, aus denen man wählen konnte, abhängig von der Menge der Groschen (1 Groschen = 10 Pfennig, soviel kostete eine Kugel Eis), die man investieren konnte oder wollte. Im Winter waren die Eiscafes geschlossen und in den Läden wurden statt Eis Schirme und Pelzmäntel verkauft.

Statt Döner-Buden gab es noch Würstchen- oder Pommes-Buden, an denen man Pommes (mit Mayo oder Ketchup), Brat- oder Currywurst kaufen konnte. McDonalds war noch gänzlich unbekannt. Die erste McDonalds Filiale wurde in Deutschland am 4. Dez. 1971 eröffnet (in München, Stadtteil Obergiesing).

In den 60ern gab es auch noch die Fräuleins. Fräulein war die Anrede nicht nur für junge Damen, sondern generell für alle unverheirateten Frauen, egal welchen Alters. So wurde auch eine 60jährige Frau, sofern sie nicht verheiratet war, mit Fräulein angeredet. Obwohl es auch in anderen Sprachen vergleichbare Bezeichnungen gibt (z. B. Miss (engl.), Mademoiselle (franz.), Señorita (span.), Signorina (ital.), Fröken (schwed.)), verschwand in Deutschland im Laufe der Emanzipationsbewegung diese Anrede und Frauen werden seit dem, ob verheiratet oder nicht, immer mit Frau angeredet.

Weitere Informationen über gesellschaftliche Aspekte gibt es über die Links auf der rechten Navigationsleiste.

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