Allgemeine Übersicht und Hinweise



Bildchen und Sprechblasen



Man sollte meinen,

die wichtigste Voraussetzung, um sich in literarische Phantasiewelten zu stürzen, wäre das Lesen. Dies trifft sicherlich für Bücher zu, für Comics aber nicht unbedingt.
Meine erste Begegnung mit Comics war eher zufällig und lag noch vor meiner Schulzeit. Bei einem Spaziergang mit meinem Großvater führte uns der Weg an einen Müllabladeplatz vorbei. Zu dieser Zeit nahm man es mit dem Umweltschutz noch nicht so genau und es gab an den Waldrändern außerhalb der Dörfer noch etliche wilde Müllplätze. Hie und da qualmte es. Ein Stapel bunter Comic-Heftchen erweckte mein Interesse. Die meisten dieser Hefte waren zerrissen und verkohlt, einige aber noch relativ gut erhalten. Diese Hefte, es mochten ungefähr ein halbes Dutzend gewesen sein, nahm ich an mich. Das hatte ich mir nur bei meinem Großvater erlauben können. Bei meiner Großmutter oder gar meinen Eltern hätte ich ordentlich eins auf die Finger bekommen. Schundliteratur vom Müllplatz! Zuhause angekommen begann ich an einem einsamen Plätzchen im Garten darin zu blättern. Eines dieser Comics war der Tibor-Band Nr. 68 "Auf dem Meeresgrund". Zwar konnte ich die Texte noch nicht lesen, die Bildchen der Figuren und dem U-Boot waren aber faszinierend und erweckten bei mir den Wunsch, die Zeichen in den Sprechblasen zu verstehen und somit meine Motivation zum Lesen lernen. Seit jenem Tag bin ich ein großer Fan dieser bunten Heftchen.

Zu Beginn meiner Comic-Sammelzeit tauchten auch noch häufig sogenannte Piccolos auf. Das waren schmale, einzeilige Heftchen (sog. Streifenheftchen). Sie erschienen vor allem in den 50ern und kosteten zu dieser Zeit 20 in den 60ern dann 30 Pfennige. Piccolos wurden auch in den 60ern noch veröffentlicht, waren als Lese- und Tauschobjekte aber nicht mehr so gefragt. Man hatte sie sehr schnell ausgelesen. Zwar waren die Umschläge in Farbe, die Inhalt jedoch meist nur schwarz-weiß (wie das Fernsehprogramm). Inzwischen gab es ja schon die großen, bunten Hefte, die von den Verlagen als sogenannte Großbände herausgegeben wurden, was nur nachvollziehen konnte, wer die Piccolos noch kannte. Da es Großbände gab, gab es auch Kleinbände. Dies waren nicht etwa die Piccolos, sondern Hefte größer als Piccolos aber nicht ganz so groß wie Großbände. Comic-Reihen im Kleinband-Format waren z.B. Ivanhoe oder Lancelot.

Unüberschaubar

waren in den 60ern die erschienen Comic-Reihen. Rittergeschichten wie Sigurd, Falk, Ivanhoe und Lancelot, Dschungelhelden wie Nizar, Tibor und Tarzan, der Wilde Westen vertreten in Bessy, Kit Carson, Winnetou und Lasso, Science-Fiction-Stars wie Nick oder Perry Rhodan, Superhelden wie Supermann, Batman, der Miracleman, die Spinne, die fantastischen Vier oder einfach nur lustige Geschichten von Dick und Doof, Micky Maus, Hucky und seinen Freunden, Felix, Wastl, Fix und Foxi und und und ... ( zur Übersicht)

Trotzdem

hielt sich die Anzahl bunter Heftchen in den Besitztümern der meisten Jungs in Grenzen. Gründe dafür waren das doch sehr eingeschränkte Budget, die fehlende Begeisterung potentieller Geldgeber, Verluste durch Tausch- und Verleihgeschäfte und ähnliches. Mit fortschreitender Lesefähigkeit waren die einzelnen Hefte zudem recht schnell durchgelesen, so dass man eigentlich immer viel zu wenig Comics besaß. Aus diesem Grunde waren Comics die wohl begehrtesten Tauschobjekte von Jungs in den 60er Jahren. Man tauschte gelesene Hefte baldmöglichst wieder gegen andere ungelesene Hefte ein. Auf diese Weise lag der Bekanntheitsgrad weit über dem eigenen Bestand an Comic-Heften.

Die meisten dieser Hefte umfassten endlose Serien und da sich nur wenige regelmäßig Comic-Hefte leisten konnten, gab es auch kaum jemanden, der mehr als drei oder vier aufeinander folgende Ausgaben besaß. Man stieg somit mitten in eine Handlung ein, die nach etwa 20 bis 30 Seiten genauso abrupt endete, wie sie begann. Ein paar Seiten lang kämpften wir im Mittelalter mit Schild und Schwert gegen böse Schurken, durchstreiften den dichten Dschungel voller wilder Tiere oder die unendlichen Weiten des Universums. Wir lachten über Felix, den lustigen Kater, Wastl oder Fix und Foxi. Die bunten Bilder und Sprechblasen in den Comics waren der Samen unserer kindlichen Fantasie.

Überlebt

haben nur wenige Comic-Reihen. Der Niedergang der Comics begann im Jahre 1968 mit dem Konkurs des Walter-Lehning-Verlages. Dieser von Walter Lehning 1946 in Hannover gegründete Verlag veröffentlichte seit 1953 so bekannte Comic-Serien wie Akim, Sigurd, Tibor, Nick, Falk, Karl May, Winnetou, Ivanhoe und Lancelot. Mit Hansrudi Wäscher arbeitete einer der bedeutendsten deutschen Comiczeichner für den Verlag. Bis zu seinem Konkurs 1968 hatte der Walter-Lehning-Verlag neben Zeitschriften und Romanen über 4500 Comic-Titel veröffentlicht.

Neu zum Leben erweckt wurden die alten Comic-Helden wie Tibor, Sigurd, Falk, Bessy und andere durch Norbert Hethke, einem großen Fan von Hansrudi Wäscher und dessen Comics. In dem von ihm 1977 gegründeten Norbert-Hethke-Verlag wurden viele alte Comic-Reihen neu aufgelegt. Daneben wurde die im September 1959 mitten in der Geschichte unterbrochene Serie Akim, Neue Abenteuer nach 30 Jahren mit dem neuen Heft 197 weitergeführt sowie die die 1968 nach 17 Ausgaben unvollendete 2. Falk Piccolo-Serie nach gut 20 Jahren mit den Nummern 18-22 beendet. Diese neuen Geschichten wurden von Hansrudi Wäscher geschrieben und teilweise noch selbst gezeichnet. Im Laufe der Jahre wurde fast das komplette Comic-Programm des Walter-Lehning-Verlages von Norbert Hethke in der einen oder anderen Form, als Piccolo, Großband, Soft- oder Hardcover-Album, neu veröffentlicht.

Asterix-Hefte oder Walt Disneys lustige Taschenbücher sind bis heute noch in fast jedem Zeitschriftenladen zu finden. Daneben gibt es wieder zahlreiche Spezialläden, die auch sehr exotische Comics zu ebensolchen Preisen anbieten. Dennoch interessiert das heute nur noch wenige, fast ausschließlich Erwachsene. Die phantastische Welt der Comics ist mit dem Ende der 60er untergegangen. Gegen die bunten Flimmerbilder im TV, die auf Knopfdruck zu jeder Zeit und quasi kostenlos abgerufen werden konnten, hatten Comics keine Chance.

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Abbildungen (von oben nach unten):
1: Comic-Sammlung
2: Asterix-Band Nr. 34, Egmont Ehapa Verlag, 2009