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Neue Trends zu erspüren, gehört zu den wichtigsten Eigenschaften, die ein Zeitschriftenverleger braucht, um nachhaltig am Markt erfolgreich zu sein. Einem Axel Cäsar Springer ist dies vor allem mit einer Publikation dank ihres überragenden Chefredakteurs nachhaltig gelungen.
Zu den erfolgreichsten Magazinen der Nachkriegszeit gehört die Programmzeitschrift "HÖR ZU", die seit über siebzig Jahren Millionen von Haushalten informiert und unterhalten hat.
Eine "modern und ansprechend aufgemachte Programmzeitschrift" schwebte dem jungen Verleger Springer vor, wie sein Schreiben vom 22. Februar 1946 belegt. Im den britischen Besatzungsbehörden zugeleiteten verlegerischen Konzept hieß es: "Wir glauben darauf hinweisen zu dürfen, daß das Erscheinen einer Rundfunkzeitschrift zu den vordringlichsten Aufgaben gehört. "
Ideengeber für die Entwicklung des neuen Blattes war das Multitalent Eduard Rhein. Er hatte Naturwissenschaften und Medizin studiert; ebenso hatte Rhein bereits in den zwanziger Jahren für verschiedene Zeitschriften in Berlin gearbeitet und sich ganz nebenbei als Erfinder elektronischer Geräte hervorgetan. Springer gewann die sehr selbstbewußte Persönlichkeit Rhein für sein neues Projekt, dessen erster Arbeitstitel "Radio- Post" lautete, und ließ ihm weitgehend freie Hand bei der Gestaltung des Blattes.
Rhein entwickelte die "HÖR ZU !", wie der endgültige Titel der ersten Ausgabe vom 11. Dezember 1946 lautete, als eine intelligente Kombination alter und völlig neuer Ideen. So nutzte die junge Zeitschrift von Anfang an Fotos als sinnvolle und gleichzeitig attraktive Ergänzung des Textangebots.
Schnell entwickelte sich die "Hör Zu" zum Marktführer im Segment der Programmzeitschriften. Zwar hatte es in den alliierten Besatzungszonen bereits ähnliche Publikationen gegeben, wie die "Radio- Woche" aus Stuttgart, die "Radio- Welt" aus München oder die "Radio- Revue" aus Westberlin. Doch all diese Periodika hielten sich nicht lange am Markt, weil ihnen die zündenden Ideen und teilweise auch fachlich kompetentes Personal fehlten.
Eduard Rhein dagegen traf schnell den Geschmack des Nachkriegspublikums. Sein Konzept einer Programmzeitschrift, die zugleich Familienillustrierte war, setzte sich schnell durch. Bis 1950 vervierfachte sich die Auflage der "HÖR ZU" von zweihundertfünfzigtausend auf über eine Million. Wesentlichen Anteil daran hatte die Illustriertensparte. So erschienen auch Fortsetzungsromane aus Rhein´s Feder, die nicht unwesentlich zur Leserbindung beitrugen. Oft handelte es sich um Liebesschnulzen, darunter fanden sich aber auch Texte wie "Suchkind 312", die Geschichte eines namenlosen Kindes aus den deutschen Ostgebieten, die den Nerv der damaligen Leserschaft traf.
Rückblickend nannte Axel Springer den Gründungs- Chefredakteuer Eduard Rhein, der die Auflage der "HÖR ZU" bis 1964 auf gigantische 4,5 Millionen Exemplare gesteigert hatte, "genialisch". Jedenfalls ermöglichte der in diesem Ausmaß nicht erwartete Erfolg des Magazins in nicht unerheblichem Maße die Expansion des Axel Springer- Verlages in den fünfziger bis siebziger Jahren.
Die schillernde Persönlichkeit Eduard Rhein verließ 1964 "unfreiwillig" den Axel Springer- Verlag und verstarb 1993 in Cannes.
Eine deutliche Infragestellung tradierter Werte markierte ein Artikel über die populäre und bestaussehende Fernsehansagerin des Bayerischen Rundfunks, Petra Schürmann, die im Juli 1967 mit ihrer Tochter auf dem Titelcover der HÖR ZU präsentiert wurde. Während die Bildunterschrift "Mein Wunschkind Alexandra" noch auf die konventionelle Präsentation einer Prominenten nach der Geburt ihres Kindes verwies, zeigte erst der eigentliche Bericht, daß es sich bei dem kleinen Mädchen um ein uneheliches Kind handelte. "Jede Frau, auch wenn sie keinen Ehering trägt, hat das Recht auf ein Kind", ließ Frau Schürmann die Leser der HÖR ZU wissen und deutete damit einen bereits bestehenden gesellschaftlichen Wertewandel an, durch den auch nichteheliche Lebensverhältnisse zunehmend akzeptiert wurden. Petra Schürmann ging sogar noch einen Schritt weiter, indem sie Frauen zu einer Lebensführung aufrief, die sich in erster Linie an der individuellen Selbstverwirklichung orientieren sollte: "Jede(r) sollte aus seinem Leben machen, was sie/er für richtig hält. Denn was bedeutet Leben, wenn man nicht versucht, das zu erreichen, was man sich am meisten wünscht ? Wenn man sich laufend Dingen beugt, die man selbst ablehnt. Das muß schließlich zur Katastrophe führen".
Redakteurin Marlen Sinjen unterstützte die Aussagen Petra Schürmanns mit ihrem Bericht. Die Fernsehansagerin wurde als attraktive, erfolgreiche und selbständige Frau dargestellt, die ihr Kind bürgerlich- behütet im eigenen Bungalow aufzog.
Der für die damalige Zeit recht provokante Artikel fand eine sehr gespaltene öffentliche Resonanz. Während die "Münchener Abendzeitung" die Ausführungen Petra Schürmanns lobte, hielt die "Neue Bildpost" dagegen, daß es das Bestreben der HÖR ZU sei, "die Einrichtung von Ehe und Familie für die Zukunft als überflüssig zu propagieren". Auch die eingehenden Leserbriefe waren äußerst kontrovers. Während einige ihre Achtung vor Petra Schürmanns Entscheidung bekundeten, befürchteten viele andere den Verlust tradierter Moralvorstellungen oder (nicht ganz zu Unrecht) zumindest Nachteile für das uneheliche Kind. So schrieb Vera S. aus Göttingen: "Petra Schürmann kann unsere Gesellschaftsform nicht ummodeln, und wenn ihr Kind erst einmal in die Schule gehen wird, dann kommen die Probleme. Kann eine Mutter den schweren Lebensweg, den ein uneheliches Kind gehen wird, verantworten ? Ich meine: eindeutig Nein !"
In der HÖR ZU hatte es bereits 1966 in der äußerst beliebten Ratgeberrubrik "Fragen Sie Frau Irene" erstmals Debatten unter der Überschrift "Sollen die unehelichen Kinder die Rechte der ehelichen erhalten ?" gegeben. Während einige Leserbriefschreiber den Bestand von Ehe und Familie gefährdet sahen, berichteten alleinerziehende Mütter von Diskriminierungen im gesellschaftlichen Alltag und Bevormundungen durch die Jugendämter. Walther von Hollander, der in Wirklichkeit hinter "Frau Irene" stand, sprach sich eindeutig dafür aus, die Forderung des GG nach rechtlicher Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder möglichst zügig umzusetzen.
1968 präsentierte Hollander alias "Frau Irene" uner der Überschrift "Uneheliche Geburt- ein Makel ! Wie lange noch ?" weitere Leserzuschriften, die aufzeigten, daß sich das Meinungsklima inzwischen in die Richtung von größeren Handlungsoptionen für Frauen verschoben hatte. Die Beiträge in der HÖR ZU kritisierten nun zunehmend die bürokratische Bevormundungspaxis der Jugendämter und sprachen sich dafür aus, den Müttern mehr Rechte einzuräumen. Frauen wurden nun nicht mehr als "leichtfertige Sünderinnen", sondern zunehmend als Opfer einer von veralteten Vorstellungen geprägten Gesetzgebung gesehen. Zunehmend offener wurde nun die "Institution Ehe" kritisiert. Hollanders/ Frau Irenes Haltung dazu war eindeutig: "Wie lange soll es noch dauern, bis die Frau als ein selbständiges Wesen angesehen wird, bis man ihr das uneingeschränkte Recht einräumen wird, Kinder zu haben oder nicht zu haben, zu heiraten oder nicht zu heiraten ? Niemand... darf noch das Recht haben, sich in die Angelegenheiten dieser Mütter und ihrer Kinder einzumischen, solange sie ihren Pflichten nachkommen".
Nicht nur beim Thema "ledige Mütter", sondern auch bei der Propagierung neuer Lebens- und Familienformen korrespondierten Berichte über Prominente, die durchaus gesellschaftliche Leitbildfunktionen innehatten, mit zeitgleichen Diskussionen in der HÖR ZU- Rubrik "Fragen Sie Frau Irene". Auch Fragen zur "sexuellen Revolution" wurden thematisiert und zeigten auf, daß sich die Ansichten vieler HÖR ZU- Leser hierzu allmählich änderten. So wurde es ab Ende 1967 befürwortet, wenn junge Frauen bereits vor der Ehe sexuelle Erfahrungen sammelten, da sie dann den "richtigen Partner fürs Leben" aussuchen und unglückliche Frühehen verhindern könnten. Mehrmals betonte Hollander alias "Frau Irene", daß es keine allgemein verpflichtende Sexualmoral mehr gebe (!), sondern jeder Mensch nach bestem Wissen und Gewissen abzuwägen habe, welche Erfahrungen er oder sie zu sammeln wünsche.
Deutliche Abgrenzungen gab es seitens der Leserschaft allerdings zu Praktiken wie "Gruppensex", die in der HÖR ZU ab 1969/70 diskutiert wurden. Anfragen zu diesem Thema trugen bereits Einflüsse der 68er- Studentenbewegung in sich , waren es doch oft Soziologiestudenten, die ihre meist überforderten Freundinnen dazu überreden wollten. Dementsprechend ablehnende Leserzuschriften gab es dazu in der HÖR ZU dieser Zeit. "Frau Irene" äußerte sich dazu wissenschaftlich nüchtern: "Immer wieder hat es wechselvolle Sex- Zirkel gegeben, die nach neuen Beziehungen und Gefühlsformen Ausschau halten und sie auch praktizieren. In ihrer Wunschwelt sind viele junge Menschen polygam. Aber die allermeisten sind den Gefahren der Polygamie gar nicht gewachsen und kehren sehr bald in die Bezirke der sexuellen Treue zurück."
Der Artikel entsprach insofern noch dem traditionellen Frauenleitbild, der nach einer Eheschließung und darauffolgender Mutterschaft die vorläufige Aufgabe des Berufs und den Wechsel in die Position einer Ehefrau und Mutter vorsah.
Daß dieses tradierte Frauenbild jedoch nicht mehr unhinterfragt blieb, machte bereits Ende 1966 ein Bericht über die Hamburger Fernsehansagerin Ann Ladiges deutlich. "Wirklich- ich kann nicht nur Mutter sein", rechtfertigte Frau Ladiges die Beibehaltung ihres Jobs als Fernsehansagerin.
Zwei Jahre später änderte sich bereits die Tonlage zum Thema deutlicher. Im Jahre 1968 schilderte die Stuttgarter Fernsehansagerin Roswitha Roszak, daß sie nicht bereit sei, das Leben einer "isolierten" Hausfrau und Mutter zu führen, "das so vielen jungen Frauen die Ehe so bedrückend macht". Die dazugehörigen Aufnahmen zeigten Frau Roszak bei der Arbeit im Fernsehstudio und in der Küche bei der Zubereitung einer Mahlzeit. Der Artikel bestärkte das neue Frauenleitbild einer Doppelorientierung des Lebens nicht nur zur geistig- materiellen Sicherung der Familie, sondern auch im Sinne eines geistig- seelischen Wohlbefindens und der zunehmenden Selbstbestätigung im Beruf. Noch eindeutiger kam dies bei bekannten Schauspielerinnen dieser Jahre zum Ausdruck. So war bei Heidi Brühl´s zahlreichen Verpflichtungen "das Baby immer dabei".
"Heiraten- warum eigentlich noch ?" fragte Anfang 1970 die schwedische Schlagersängerin Bibi Johns in einer Ausgabe der HÖR ZU. Nach dem Scheitern ihrer ersten Ehe hatte die damals 40- jährige Sängerin neues Glück in der Liebe und einen beruflichen Neuanfang als Musicalstar gefunden. Mit dem fünf Jahre jüngeren Peter Jacques lebte sie ohne Trauschein zusammmen. Der für das Jahr 1970 durchaus noch provokante Artikel markierte gleich in dreifacher Hinsicht einen Bruch mit den damaligen gesellschaftlichen Werten und Normen. Zunächst galt es in breiten Bevölkerungskreisen als rechtfertigungsbedürftig, wenn verwitwete oder geschiedene Frauen sich noch einmal banden. Darüber hinaus waren die sogenannten "wilden Ehen" damals noch weitgehend mit der Vorstellung von "asozialen Verhältnissen" verbunden. Zum Zweiten lebte Bibi Johns mit einem jüngeren Partner zusammen, was der gängigen Norm widersprach, daß der Ehemann älter zu sein hatte als seine Partnerin. Drittens betonte sie in dem Artikel, daß sie mittlerweile froh sei, kein Kind bekommen zu haben.
Besonders eindeutig äußerte sich die Schauspielerin Inge Meysel 1972 zu der Thematik. In den 60er und frühen 70er Jahren war sie die wohl populärste Darstellerin in der Bundesrepublik, galt nicht zuletzt durch ihre Rolle als Käthe Scholz in der Serie "Die Unverbesserlichen" als "Mutter der Nation" und hatte 1965 die Goldene Kamera sowie zahlreiche andere Fernsehpreise erhalten. Somit galt sie zunächst vielen als moralische Instanz, die die Beibehaltung traditioneller Werte zu verkörpern schien. 1969 hatte sie im Bundestagswahlkampf für den SPD- Kanzlerkandidaten Willy Brandt geworben. Bereits 1972 drehte Inge Meysel für das ZDF eine Fernsehserie, in deren Mittelpunkt eine geschiedene Frau stand. HÖR ZU meinte dazu: "Sie weiß sehr gut, daß hundert kluge Reden nicht annähernd so viel erreichen wie eine in Unterhaltung verpackte Meysel- Botschaft via Bildröhre". Im gleichen Artikel schilderte die Schauspielerin, daß sie selbst geschieden sei und sprach sich ausdrücklich für eine deutliche Reform des deutschen Scheidungsrechts aus. Allen Heiratswilligen schlug sie dagegen vor, "erst einmal drei, vier Jahre ohne Stempel vom Standesamt zusammenzuleben".
Auch wenn Prominente in der breiten Gesellschaft eher als "Exoten" galten und neuartige Lebensformen bei ihnen leichter vom "Mainstream" akzeptiert wurden, so nahmen sie doch eine wichtige Vorreiterrolle in der Öffentlichkeit ein. Die Kritik an der bürgerlichen Ehe wurde u.a. durch die HÖR ZU von beliebten Stars aus der Mitte der Gesellschaft vorgetragen und als "individueller Glücksanspruch" begründet. Zur Abmilderung der Kernaussagen wurden Berichte über "wilde Ehen" und Scheidungen von der HÖR ZU immer wieder mit Beschreibungen glücklicher konventioneller Ehebeziehungen durchmischt. Auffallend war bereits in diesem Zeitraum, daß es sich bei den nicht verheirateten Prominenten ausschließlich um kinderlose Paare handelte, die auch in dieser Hinsicht allmählich eine gesellschaftliche Vorreiterrolle einnahmen.
Gesellschaftliche Benachteiligungen geschiedener Frauen, die es in den 70er Jahren zweifelsohne noch gab, und ihre Schwierigkeiten, beruflich wieder Fuß zu fassen, wurden vornehmlich in der Ratgeberrubrik "Fragen Sie Frau Irene" thematisiert.
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