Ich muß zugeben, daß ich mit der Persönlichkeit des sehr agilen Showmasters und Entertainers aus den Niederlanden bereits seit meiner Kindheit in den 60er Jahren nie allzuviel anfangen konnte. Dies mag auch daran gelegen haben, daß ich in diesem Zeitrahmen gelegentlich mit meinen Eltern in das nicht allzu weit entfernte Venlo gefahren bin, um dort im "kleinen Grenzverkehr" günstig Butter, Kaffee, Kakao und einige andere Produkte zu erstehen, die damals in Deutschland noch deutlich teurer waren als im westlichen Nachbarland. Dort trafen wir rund zwanzig Jahre nach Kriegsende auf teils noch erhebliche Vorbehalte der Holländer bis in Einzelfällen auf offen gezeigte Feindschaft gegenüber uns Deutschen. Ich als Kind im Grundschulalter werde das nicht direkt mitbekommen haben, jedoch haben mir meine Eltern später einmal darüber berichtet.
Wie auch immer: das Urteil meines Vaters über "Onkel Rudi", wie der Entertainer in den 60ern bisweilen auch genannt wurde, war entsprechend distanziert: "Der dient doch nur als Vorzeigeholländer, um den deutschen Zuschauern zu beweisen, daß wir im Ausland wieder gemocht werden". So jedenfalls sinngemäß die Aussage meines alten Herrn vor rund fünfundfünzig Jahren.
In den 70er/80er Jahren, als sich mein persönliches Urteilsvermögen allmählich "schärfte", fand ich Rudi Carrell als Showmaster und Moderator recht ordentlich, als Entertainer bis hin zu seinem wohl bewußt beibehaltenem schnoddrigen niederländischen Akzent dagegen eher durchschnittlich.
Wie auch immer: der 1934 in Alkmaar geborene Rudi Carrell gehört jenseits aller Kritik zweifelsohne zu den großen Show- Legenden der bundesdeutschen Fernsehgeschichte und zu dem erfolgreichsten "Exportprodukt" aus unserem Nachbarland Holland. Im Jahre 1965 flimmerte die "Rudi Carrell Show" zum ersten Mal über unsere Bildschirme. Ein schlaksiger, hochaufgeschossener junger Mann, der entfernt an Silvio Francesco erinnerte, sprühte durch das ARD- Studio und bemühte sich redlich um eine korrekte deutsche Aussprache. Aber er nahm dies alles mit Humor und konnte darüber hinaus auch tanzen und singen. Und, das war zu dieser Zeit neu im deutschen Fernsehen, er spielte mit seinen prominenten Gästen wie Peter Alexander oder Tony Marshall witzige Sketche ein. "Onkel Rudi" wurde durch diese Darbietungen über Nacht zum Liebling vieler Fernsehzuschauer.
Daß der "leibhaftig gewordene Käskopp" hinter den Kulissen auch andere Seiten verbarg, wußte zu dieser Zeit kaum jemand. Vor allem Carrells Verhältnis zu den Frauen sorgte immer wieder für Insidergetuschel. Im Jahre 1957 heiratete er Truus de Vries, ein Jahr später erblickte Tochter Annemieke das Licht der Welt, 1962 Tochter Caroline. Doch schon bald kriselte es in der Ehe, da Carrell einem Flirt nie abgeneigt war. Das Paar trennte sich 1967, sechs Jahre später folgte die Scheidung, so daß der mittlerweile enorm erfolgreiche Showmaster frei für seine Geliebte, die attraktive Bremerin Anke Bobbert, war. Im Folgejahr heirateten die beiden, 1977 kam aus dieser Beziehung Sohn Alexander zur Welt.
Aber auch Anke Bobbert konnte er nicht treu bleiben. Erst bei ihrem Tod im Jahre 2000 gestand Carrell, daß er bereits seit 1985 mit der Drehbuchautorin Susanne Hoffmann zusammenlebte. Für ihn war dies eine weitere Station zwischen seinen Erfolgsshows "Am laufenden Band", "Rudis Tagesshow" sowie "Die verflixte Sieben".
Anfang 2001 wurde ein weiteres "Herzblatt", die über dreißig Jahre jüngere Simone Felischak, seine letzte Ehefrau.
Millionen von Fernsehzuschauern vergnügten sich bei seinen Shows, doch nur wenige kannten die andere Seite der Showlegende Rud Carrell. Viele seiner ihm unterstellten Kollegen litten unter dem Perfektionswahn und den diktatorischen Allüren des Moderators, der laut Eigenbekundung keine Freunde hatte. So beklagte sich Kollegin Beatrice Richter: "Ich bekomme noch immer Todesangst, wenn ich an ihn denke. Er war der kälteste Mensch, dem ich je begegnet bin". Vor jeder zu produzierenden Sendung übergab sie sich. Auch Marijke Amado erinnerte sich lebhaft an den "miesen Umgangston hinter den Kulissen", als sie zeitweilige Assistentin in Carrells Show "Am laufenden Band" war.
Jochen Busse ("7 Tage, 7 Köpfe") erinnert sich: "Rudi war der Mann mit dem mit Abstand schlechtesten Benehmen, den ich kannte. Es herrschte ein Klima der Angst".
Nicht immer wohlgefällig aufgenommen wurde auch die harsche Kritik, die Carrell bisweilen an vielen seiner Branchenkollegen übte.
Im November 2005 teilte der beim Publikum immer noch beliebte Showgigant mit, daß er an Lungenkrebs litt. Im Februar 2006 betrat er, bereits sichtlich von seiner Krankheit gezeichnet, ein letztes Mal bei der Verleihung der Goldenen Kamera für sein Lebenswerk die große Bühne. Mit heiserer Stimme und einer gehörigen Portion Galgenhumor bedankte er sich noch einmal bei seinem Publikum: "Die Tatsache, daß ich heute hier sein kann, verdanke ich in erster Linie meiner Krankenversicherung, dem Klinikum Bremen- Ost und der deutschen Pharmaindustrie".
Am 7. Juli 2006 starb der Entertainer Rudi Carrell im Alter von 71 Jahren. "Ein paar tolle Gags, die wir für "7 Tage, 7 Köpfe" nicht gebrauchen können, hebe ich auf", witzelte er noch kurz vor seinem Tod. "Und wenn ich in den Himmel kommen sollte, werde ich damit etwas nebenbei verdienen !"
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