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    Mittwoch, 18. Oktober 2023, 16:42

    Volksbewegung oder Honoratiorenrunde ? Das "Kuratorium Unteilbares Deutschland"

    Unter dem Namen "Unteilbares Deutschland" wurde im Juni 1954 ein überparteiliches Kuratorium gegründet, um den Wiedervereinigungswillen der Bundesbürger zu stärken, dies jedoch mit eher begrenztem Erfolg. Doch insbesondere der Chef des Kuratoriums, Wilhelm Wolfgang Schütz, trug in den 50er und 60er Jahren mit zahlreichen Debattenbeiträgen zu einer Neuorientierung der Deutschlandpolitik bei.
    Eingeladen hatte im Juni 1954 der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser, rund 130 "Honoratioren" in das beschauliche Bad Neuenahr südlich von Bonn. Zwar fehlten in dieser illustren Runde Spitzenpolitiker wie Konrad Adenauer oder Theodor Heuss, aber dennoch las sich die Liste der Gründungsmitglieder wie ein "Who is Who" der damals noch jungen Bundesrepublik mit Persönlichkeiten aus allen Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Lebens. Der Name "Unteilbares Deutschland" ging ursprünglich auf einen Vorschlag von Bundespräsident Theodor Heuss zurück, und am 18. Juli 1954 wurde im Charlottenburger Schloß zu Berlin der frühere Reichstagspräsident Paul Löbe zum Präsidenten dieser Organisation gewählt.
    Im Gegensatz zu einigen Vorläufergründungen hatte "Unteilbares Deutschland" dauerhaften Bestand, der bis zu seiner endgültigen Auflösung im Jahre 1992 andauerte. Die Zielsetzung der Gründung, darüber waren sich alle Gründungsmitglieder einig, lag darin, durch die Willensbekundung des deutschen Volkes die Unterstützung "vor allem der Amerikaner" für die Forderung nach einer Wiedervereinigung zu erzwingen.
    Konrad Adenauer allerdings, für den das Primat der Westbindung vor dem einer deutschen Wiedervereinigung galt, betrachtete die Aktivitäten des Kuratoriums von Anfang an mit großem Mißtrauen, zumal sich die Vereinigung im Laufe der Jahre zu einem Sammelbecken seiner politischen Widersacher entwickelte. Jedenfalls blieb die Unterstützung seitens der CDU/ CSU auf einen relativ kleinen Kreis um Bundesminister Jakob Kaiser beschränkt.
    Der Namenszusatz "Volksbewegung für die Wiedervereinigung" geriet nach der Gründung des Kuratoriums recht schnell in Vergessenheit. Das "Kuratorium Unteilbares Deutschland" war und blieb von Anfang an ein Zusammenschluß von Honoratioren, dies sowohl auf Bundesebene als auch in den Bundesländern und Kommunen, wo sich hunderte von Landes-, Kreis- und Ortskuratorien bildeten. Diese allerdings bemühten sich bis in die späten 60er Jahre darum, die Bevölkerung für das Ziel der deutschen Wiedervereinigung zu mobilisieren.
    Unmittelbar nach dem Aufstand von 1953 wurde der 17. Juni als "Tag der deutschen Einheit" zum nationalen bundesdeutschen Feiertag erhoben. In den ersten Jahren war die öffentliche Resonanz jedoch eher gering, seine Hochphase reichte dagegen von den späten 50ern bis in die Mitte der 60er Jahre. In diesen Jahren bildete sich ein regelrechter Feiertagskanon heraus, welcher weit über die alljährliche Feierstunde im deutschen Bundestag hinausging. Dazu zählten zwischen 1959 und 1967 auch die "Fahnenstaffeln der deutschen Jugend zur Zonengrenze", wobei jeweils 25 Jugendliche ein Spruchband mit der Aufschrift "Unteilbares Deutschland" trugen sowie die Fahnen aller deutschen Gebiete, auch denen jenseits von Oder und Neiße, von Ort zu Ort trugen. Ergänzt wurde der Feiertagskanon des Kuratoriums durch Mahnfeuer und Fackelmärsche entlang der innerdeutschen Grenze. Auch wurden Vereine und Trachtengruppen mobilisiert, Theaterstücke mit entsprechenden Bezügen wurden aufgeführt, und den Abschluß bildete eine zentrale Kundgebung in West- Berlin, die auch über Rundfunk und Fernsehen übertragen wurde.
    Neben den Veranstaltungen zum 17. Juni gab es eine ganze Reihe von weiteren öffentlichen Veranstaltungen, so z.B. das Sammeln eines "Wiedervereinigungspfennigs", die Aktion "Macht das Tor auf !" von 1958 oder den Verkauf von Anstecknadeln mit der Abbildung des Brandenburger Tores. Bis Mitte der 60er Jahre wurden insgesamt über 33 Millionen derartiger Abzeichen verkauft.
    Auch zum Weihnachtsfest wurde das Kuratorium aktiv. Bereits 1954 wurde dazu aufgerufen "Heimatlose aus Mittel- und Ostdeutschland" zum Essen oder zu kulturellen Veranstaltungen einzuladen, ihnen Geschenke zu machen oder auch Aufführungen von Chören in Flüchtlingslagern zu organisieren. Ab 1956 rief das Kuratorium dazu auf, Weihnachtspakete in die "Zone" zu senden. Darüber hinaus gab es den Aufruf, als Zeichen der Verbundenheit mit den Landsleuten im Osten am Weihnachtsabend Kerzen in die Fenster zu stellen.
    Allen Anstrengungen zum Trotz stellte sich nie eine völlige Zufriedenheit mit den Aktivitäten des Kuratoriums ein, vor allem was die Feierlichkeiten am 17. Juni betraf. Die Kommentatoren der Medien, Politiker und viele Aktivisten bemängelten vor allem die oft fehlende Beteiligung der Bevölkerung an den entsprechenden Veranstaltungen. Trotz teilweise beachtlicher Teilnehmerzahlen wurde kritisiert, daß die übergroße Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung den Aktionen fernblieb und an diesem Feiertag lieber ins Grüne fuhr. Der 17. Juni geriet als "Bundesbadetag" zunehmend in das Kreuzfeuer der Kritik. Ab Mitte der 60er Jahre stagnierte die Beteiligung an den verschiedenen Aktionen, um dann kontinuierlich zurückzugehen. Politisch galten sie in den späten 60ern als zunehmend überflüssig, denn Demonstrationen gegen die DDR paßten nicht mehr in den Rahmen der beginnenden Entspannungspolitik zwischen Ost und West. Und so wurde die Mehrzahl der Aktionen in diesem Zeitraum weitgehend aufgegeben.
    Obwohl es sich hierbei um die größten Massenkundgebungen in der bundesdeutschen Geschichte der 50er und frühen 60er Jahre handelte, war die Geschichte des "Kuratoriums Unteilbares Deutschland" und sein Ansinnen, eine Volksbewegung für die Wiedervereinigung zustande zu bringen, nicht zuletzt auch die Geschichte seines Scheiterns.