Heinrich Nordhoff gehörte zu den Automobil- Managern, die in der Zeit der deutschen Wirtschaftwunderjahre ganz groß herauskamen. Neben weitsichtigen Unternehmern wie Max Grundig sowie den Versandwarenhaus- Erfindern Schickedanz (Quelle) und Neckermann brachte er den geschundenen VW- Konzern in den ersten zwei Nachkriegsjahrzehnten wieder ganz nach vorne.
Geboren 1899, ging Heinrich Nordhoff nach einer ersten Station beim Flugmotorenbau von BMW im Jahre 1929 zu General Motors, wo er Kundendiensthandbücher für Opel zusammenstellte und auch gelegentlich am Fließband mitarbeitete, um ein besseres Verständnis der Zusammenhänge in der Produktion zu erlangen. Bereits im Jahre 1942 wurde er Vorstandsmitglied der Adam Opel AG und zugleich Leiter des Produktionswerks in Brandenburg, das den "Opel Blitz" montierte, und damit automatisch auch Wehrwirtschaftsführer.
1945 mußte Nordhoff seinen Vorstandsposten niederlegen und wurde von den Alliierten zunächst als "Haupschuldiger" klassifiziert, 1947 jedoch entlastet.
Anfangs wußten die britischen Besatzer zunächst nicht recht, was sie mit dem "geerbten" Megaprojekt Volkswagen anfangen sollten. Gutachten kamen zunächst zu dem Ergebnis, daß der Volkswagen für militärische Zwecke durchaus zu gebrauchen sei, jedoch in ziviler Hinsicht allen britischen Vergleichsprodukten deutlich unterlegen sei. Schließlich boten die Briten das VW- Werk Henry Ford II. zum symbolischen Preis von einem Dollar an, der jedoch ablehnte. So wurde schließlich eine GmbH gegründet, die anfangs der Besatzungsmacht und später der Bundesrepublik Deutschland gehörte. Diese wiederum gab die Aufsicht an das neugegründete Bundesland Niedersachsen weiter. Bereits 1945 wurden zweitausend Volkswagen in mühevoller Handarbeit hergestellt, gefolgt von zehntausend im Jahre 1946 und zwanzigtausend im Jahre 1947. Ab 1. Januar 1948 war Heinrich Nordhoff der erste Generaldirektor der Volkswagenwerk GmbH.
Da Nordhoff sich über die Bedeutung der VW- Produktlinie als Exportartikel völlig im klaren war, ließ er ab Juli 1949 den noch recht spartanisch ausgebauten Wagen zu einer "Extportversion" umbauen, die u.a. über verchromte Radkappen und Seitenzierleisten aus Chrom verfügte. Auch bekam der "Export" eine Benzinuhr sowie den Platz zum Einbau eines Autoradios.
Technisch änderte sich an den frühen Nachkriegskäfern nichts, nur die veraltete mechanische Bremsanlage wurde gegen eine moderne, hydraulische ausgetauscht. Zwar bewegte sich in den frühen 50er Jahren in der Autobranche mit der Einführung der Pontonkarosserie und den gerundeten Frontscheiben sowohl in den USA als auch in Europa sehr viel, jedoch lehnte Nordhoff entsprechende Änderungen am "Käfer" nicht zuletzt aus finanziellen Gründen zunächst rundweg ab. Dennoch kam er allmählich zu der Einsicht: "Der Volkswagen hat mehr Fehler als ein Hund Flöhe", so daß ab 1953 ein synchronisiertes Getriebe zum Standard wurde und im Herbst 1954 das VW- typische "Brezelfenster" einer einteiligen Heckscheibe weichen mußte. Darüber hinaus konnte der Preis für den "Käfer" durch das "Gesetz der großen Serie" sukzessive gesenkt werden. Kostete ein VW im Jahre 1949 noch 5050,- DM, sank der Preis für den "VW Standard" bis 1955 auf erstaunliche 3750,- DM, wodurch die Verkaufszahlen kräftig angekurbelt wurden. Ganz konsequent verbesserte Nordhoff stets nur das, was die Exportmärkte für eine Zulassung obligatorisch verlangten. Während die Konkurrenz laufend mit neuen Modellen auf den Automobilmarkt drängte, blieb der Volkswagen zumindest äußerlich in seinen Grundzügen die simple Konstruktion des KdF- Wagens von 1936. Dagegen hatte der Käfer in weiten Kreisen der Bevölkerung bald den Ruf von Zuverlässigkeit und Haltbarkeit, und durch die laufenden Preissenkungen konnten sich bereits in den 50er Jahren immer mehr Bürger diesen Wagen leisten. Am 5. August 1955 feierte man in Wolfsburg die Fertigstellung des einmillionsten Exemplars, und am gleichen Tag ernannte die Stadt Wolfsburg Heinrich Nordhoff zu ihrem ersten Ehrenbürger.
Die zeitgenössische Presse beobachtete dagegen Nordhoffs konservative Modellpolitik eher kritisch. Insbesondere der "Spiegel" warf ihm Rückständigkeit und sogar Faulheit vor. Als die Kritik in den 60er Jahren immer weiter zunahm und sogar Nordhoffs Rücktritt gefordert wurde, ließ er im Jahre 1967 die Tore der Entwicklungsabteilung von VW öffnen und präsentierte 36 Prototypen mit Serienreife, die jedoch nie in Produktion gingen.
Trotz aller Unzulänglichkeiten wurde der Käfer zum riesigen Exportschlager und lockte dadurch sogar die großen amerikanischen Autokonzerne aus der Reserve. Längst hatte VW in Deutschland im Jahre 1965 auch die notleidende Auto- Union und 1969 NSU aufgekauft, um dort neue Fließbänder für den VW aufzustellen. Darüber hinaus gab es in vielen Teilen der westlichen Welt Zweigwerke von Volkswagen. Der eher unscheinbare Volkswagen war zu einer Ikone aufgestiegen, und sein Erbauer wurde international hoch geehrt.
Anfang der 60er Jahre sah sich jedoch auch Nordhoff genötigt, allmählich von der "Käfer- Monokultur" abzugehen und hubraumstärkere Modelle auf den Markt zu bringen, so im Herbst 1961 den VW 1500, eine Stufenhecklimousine mit Heckantrieb. Auch ging 1968 der Typ 411 in Serie, der sich jedoch nie zum Verkaufsschlager entwickeln sollte. Hinzu kam, daß sich bei der Produktion des Käfers allmählich eine Marktsättigung abzeichnete, so daß sich für Volkswagen schwierigere Zeiten am Horizont abzuzeichnen begannen.
Das Ende der bundesdeutschen Hochkonjunktur erlebte Heinrich Nordhoff jedoch nicht mehr. Er starb am 12. April 1968 im Alter von 69 Jahren an akutem Herzversagen. Bei aller Kritik an seinen unternehmerischen Entscheidungen konnte die Lücke, die er hinterließ, zunächst niemand füllen.
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