Der weltweit größte Musikwettbewerb war insbesondere in den ersten fünfzehn bis zwanzig Jahren seines Bestehens ein Medienereignis, das auch von meiner Familie zumindest bis in die frühen 70er Jahre mit schöner Regelmäßigkeit verfolgt wurde. Da die Sendungen im Lauf der Jahre auch in eine Reihe von außereuropäischen Staaten übertragen wurden, hat das Format zahlreiche Fans in Nord- und Teilen von Mittel- und Südamerika, Indien, China, Südkorea und Japan und wird weltweit von derzeit über 200 Millionen Fans an den Bildschirmen mitverfolgt.
Der "Grand Prix" (seit 2002 Umbenennung in ESC) wird seit 1956 einmal jährlich von der Europäischen Rundfunkunion (EBU) im Rahmen der Eurovision veranstaltet. Vorbild war das "Festival di San Remo", das bereits seit 1951 ausgerichtet wurde. Mit dem "Grand Prix" sollte insbesondere der "Europäische Gedanke" im Rahmen eines Musikwettbewerbs gefördert und gefestigt werden.
Jedes Mitglied der EBU hatte das Recht an einer Teilnahme am "Grand Prix", jedoch bestand dazu keine zwingende Verpflichtung, so daß die Zahl der Teilnehmer im Lauf der Jahre strotz steigender Anmeldungen immer etwas variierte.
Der erste Wettbewerb fand 1956 im schweizerischen Lugano mit gerade einmal sieben teilnehmenden Ländern statt: der gastgebenden Schweiz, Italien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden und Belgien.
In den Folgejahren stieg die Zahl der teilnehmenden Nationen sukzessive weiter an, darunter ab 1961 auch das EBU- Mitglied Jugoslawien als einziger Staat des sozialistischen Lagers. Auch zogen sich einzelne Staaten aus Protest, aus schierem Desinteresse oder aufgrund von Finanzierungsproblemen immer wieder einmal aus dem Wettbewerb zurück. So protestierte Österreich 1969 gegen die Franco- Diktatur und blieb der Veranstaltung in Madrid fern. 1970 boykottierten Finnland, Norwegen, Portugal, Schweden und Österreich den "Grand Prix", da sie mit den Abstimmungsmechanismen der Vorjahresveranstaltung, bei der gleich vier Sieger ermittelt wurden, nicht einverstanden waren.
Kleinstaaten wie Luxemburg mit fünf Siegen oder Monaco mit einem Sieg verzichten seit Jahren auf eine Teilnahme. Teilweise wird schlichtes Desinteresse wie im Falle Luxemburgs vorgegeben, darüber hinaus werden Mängel des Wertungssystems wie im Falle Monacos ins Feld geführt, da dieses einen Sieg kleinerer Teilnehmer eher unwahrscheinlich werden lasse.
Seit 1958 wird der "Grand Prix" meist im Land des Vorjahressiegers ausgetragen. In den frühen Jahren wurde lediglich der Wettbewerb von 1956 von einem Mann moderiert, während in den Folgejahren bis 1978 stets eine charmante Gastgeberin durch das Programm führte.
Um den nationalen Charakter der einzelnen Wettbewerbsbeiträge stärker zu betonen, galt von 1966 bis 1972 sowie zwischen 1977 bis 1998 die Regel, daß die einzelnen Interpreten in ihrer jeweiligen Landessprache singen müßten.
Die Teilnehmer am "Grand Prix" werden in der Regel durch nationale Vorentscheide ermittelt. Während in den Anfangsjahrzehnten das "Juryvoting" in unterschiedlichen Modifikationen zur Ermittlung des Siegers im Vordergrund stand, geschieht dies in den letzten Jahrzehnten zunehmend durch "Televoting". Über lange Jahre hieß der deutsche Vorentscheid "Ein Lied für...", ergänzt um den Namen des aktuellen Veranstaltungsortes.
Bis in die späten 90er Jahre wurde die Punktevergabe während des "Grand Prix" ausschließlich durch eine Jury bestimmt, wobei die Abstimmungsmodalitäten sowie die Zusammensetzung einer nationalen Jury mehrfach modifiziert wurden. Kritisiert wurde über viele Jahre, daß einige Länder gleicher Kulturräume sich während der Abstimmungen gegenseitig begünstigten. Auch politisch beeinflußtes Abstimmungsverhalten sowie gezielte Boykotte wurden bemängelt. So fällt auf, daß Deutschland trotz teilweise guter Wettbewerbsbeiträge in den frühen Jahren keinen einzigen Siegertitel erringen konnte. Erst durch die Einführung des "Televotings" konnten diese Kritikpunkte zumindest teilweise ausgeräumt werden.
Aus heutiger Sicht erscheint kurios, daß der Siegerpreis vom Interpreten an den Songschreiber weitergereicht wurde, in dessen Besitz die Trophäe auch verblieb. Erklären läßt sich das aus der Geschichte des "Grand Prix", der vom Ursprungskonzept her ein reiner Komponisten- und Textdichterwettbewerb sein sollte.
Ab Mitte der 60er Jahre wandelten sich die Wettbewerbsbeiträge vom oft Balladesken mehr in Richtung moderner Popmusik und machten eine Reihe von Interpreten zu internationalen Stars, die zum Zeitpunkt ihres "Grand Prix"- Sieges noch weitgehend unbekannt waren. Dazu gehörte insbesondere die schwedische Popgruppe "Abba" mit ihrem Hit "Waterloo" von 1974, für die damit eine beispiellose Weltkarriere begann.
Zu guter letzt die Auflistung aller Veranstaltungen zwischen 1956 bis 1973 mit den jeweiligen Veranstaltungsorten, Interpreten und ihren Siegertiteln:
1956 Lugano (Schweiz). Lys Assia (CH) : Refrain
1957 Frankfurt (Deutschland). Corry Brokken (NL): Net als toen
1958 Hilversum (Niederlande). André Claveau (F): Dors mon amour
1959 Cannes (Frankreich). Teddy Scholten (NL): Een beetje
1960 London (Großbritannien). Jacqueline Boyer (F): Tom Phillibi
1961 Cannes (Frankreich). Jean-Claude Pascal (LUX): Nous les amoureux
1962 Luxemburg (Luxembourg). Isabelle Aubret (F): Un premier amour
1963 London (Großbritannien). Grethe & Jorgen Ingmann (DK): Dansevise
1964 Kopenhagen (Dänemark). Gigliola Cinquetti (I): Non ho l ´età
1965 Neapel (Italien). France Gall (Luxembourg): Poupée de cire, poupée de son
1966 Luxemburg (Luxembourg). Udo Jürgens (AU): Merci, Cherie
1967 Wien (Österreich). Sandie Shaw (GB): Puppet on a String
1968 London (Großbritannien). Massiell (E): La, la, la...
1969 Madrid (Spanien). Salomé (E): Vivo cantado, sowie Frida Boccara (F): Un jour, un enfant, sowie Lenny Kuhr (NL): Da troubadour sowie Lulu (GB): Boom Bang-a- Bang
1970 Amsterdam (Niederlande). Dana (IRL): All Kinds of Everything
1971 Dublin (Irland). Séverine (MC): Un banc, un arbre, une rue
1972 Edinburgh (Großbritannien). Vicky Leandros (LUX): Après toi
1973 Luxemburg (Luxembourg). Anne- Marie David (LUX): Tu te reconnaitras
Im Netz sind zahlreiche ESC - Clips zu dem hier besprochenen Zeitrahmen unter
www.youtube.com abrufbar.
Besonders zu empfehlen:
www.youtube.com/watch?v=66aTauo1Lkc
www.youtube.com/watch?v=W1tSXCssXcQ
www.youtube.com/watch?v=ka5OfjwB3nM
www.youtube.com/watch?v=Txy6fIn6Mos
www.youtube.com/watch?v=8GyohsFTykg
www.youtube.com/watch?v=ctPrR8mMI3Y
www.youtube.com/watch?v=e15bPgYTo9c
www.youtube.com/watch?v=dTxXjzyHsnw
www.youtube.com/watch?v=nKJVZmYdPbA
www.youtube.com/watch?v=luxydXMU5AY
www.youtube.com/watch?v=cVWKvILVOZ0
www.youtube.com/watch?v=g5ZDbEBt3iY
www.youtube.com/watch?v=Hf6KiVXzibU