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    Montag, 12. November 2018, 13:22

    Bewegende Momente der 60er Jahre - Bernie Cornfeld und sein IOS oder: Der größte Finanzskandal seit Ende des Zweiten Weltkrieges

    Im Verlauf der 60er Jahre gelang es nicht unerheblichen Teilen der bundesdeutschen Bevölkerung, ihre durch Krieg, Vertreibung und Währungsreform entstandenen Vermögensverluste auszugleichen und gleichzeitig neue Ersparnisse zu bilden. Neben den damals sehr beliebten Bausparverträgen, Sparbüchern und anderen klassischen Anlageformen achtete man zunehmend auch auf höher rentierliche Anlagen, wie sie von teils äußerst zwielichtigen "Anlageberatern" zunehmend angeboten wurden. Der bekannteste und nicht zuletzt durch seinen schillernden Lebensstil auffälligste dürfte Bernard "Bernie" Cornfeld gewesen sein, der sich in den 60er Jahren zur herausragenden Figur eines ausgefeilten Ponzi- oder Schneeballsystems entwickelte.
    Bereits 1955 gründete der angeblich 1927 in Istanbul geborene Sohn rumänisch-russisch- jüdischer Eltern als in den USA lebender Unternehmer eine eigene Gesellschaft in Paris, um von dort offene Wertpapier- Investmentfonds zu verkaufen. Schnell bemerkte Cornfeld, daß es erheblich profitabler war, nicht nur mit Fondsanteilen zu handeln, sondern eine eigene Fondsverwaltungsgesellschaft zu gründen. Kurzerhand gründete er die INVESTORS OVERSEAS SERVICES, bekannter geworden unter dem Kürzel IOS, die ab 1960 als Aktiengesellschaft IOS Ltd. mit Sitz in Panama firmierte.
    Das Unternehmen beschäftigte in seinen besten Zeiten gegen Ende der 60er Jahre über 25.000 Vertreter, die insgesamt achtzehn Anlagefonds im Telefonverkauf und über Haustürgeschäfte in Europa an den Mann bringen sollten. Insbesondere deutsche Anleger hatte die IOS Ltd. im Visier, und so bediente sich Cornfeld zwecks besserer Vermarktung auch zahlreicher damaliger Größen aus Sport, Politik und aus dem Showgeschäft. 1968 "sicherte" er sich Erich Mende, den damaligen FDP- Spitzenpolitiker und ehemaligen Vizekanzler, als Vorsitzenden des Verwaltungsrats von "IOS Deutschland". Mende war Ritterkreuzträger und besaß zur damaligen Zeit ein großes Maß an Glaubwürdigkeit bei der bundesdeutschen Bevölkerung. Mit der Installation von Mende als Verwaltungsratsvorsitzenden von IOS Deutschland wurde die Fondsverwaltungsgesellschaft aus Panama in der Bundesrepublik endgültig salonfähig.
    Die Geschäfte liefen, begünstigt durch zunächst steigende Aktienkurse und ein hochverschachteltes, nahezu undurchsichtiges Firmengeflecht mit zahllosen Überkreuzbeteiligungen, zunächst insbesondere in der Bundesrepublik wie geschmiert. 1973 brach jedoch nach einer Reihe von Krisenjahren das IOS- Imperium zusammen, und viele Anleger, die dort ihr Geld eingebracht hatten, verloren den größten Teil ihrer Investitionen. Besonders deutsche Kunden, die bis zu 2,5 Milliarden DM über IOS investiert hatten, mußten Federn lassen. Die gerichtliche Abwicklung des Konkursverfahrens zog sich über Jahre dahin.
    Im Mai 1973 wurde Bernie Cornfeld, der sich bereits nach 1968 weitgehend aus dem aktiven IOS- Geschäft zurückgezogen hatte und sich dem Leben eines Jet Set- Playboys hingab, vorläufig in Genf festgenommen. Die juristischen Vorwürfe erstreckten sich von Urkundenfälschung bis zum gewerbsmäßigen Betrug. Elf Monate später wurde er gegen eine Kaution von fünf Millionen Sfr. auf freien Fuß gesetzt, da es den Schweizer Behörden nicht gelungen war, die gegen Cornfeld erhobenen Vorwürfe zu erhärten. Der Prozeß gegen ihn, der erst 1979 stattfand, dauerte nur drei Wochen und endete schließlich mit einem Freispruch.
    Seinen Lebensabend verbrachte Cornfeld daher auch keineswegs in Armut, wie einzelne Quellen behaupten. In seinem Haus in Beverly Hills, Kalifornien, empfing er prominente Freunde wie den Schauspieler Tony Curtis oder den Playboy- Herausgeber Hugh Hefner. Cornfeld verstarb im Februar 1995 in einem Londoner Krankenhaus an den Folgen einer Gehirnblutung.
    Das große Nachsehen hatten u.a. über 200.000 bundesdeutsche Anleger, die den allergrößten Teil ihrer Kapitalanlagen niemals wiedersahen.
    Der bekannte britische Ökonom J.K. Galbraith schrieb rückblickend über das System IOS: "Das Unternehmen war vor allem ein riesiger Verkaufsapparat, in dem Effektenverkäufer weitere Verkäufer anwarben und so eine Provision aus deren Verkäufen erhielten. Die so Angeworbenen warben ihrerseits weitere Verkäufer an, von denen sie dann wiederum Provisionen erhielten. In Deutschland war die "Ponzi- Pyramide" am Ende sechs Stockwerke hoch, und nur ein Bruchteil der eigentlichen Investitionen floss noch in die Wertpapiere, zu deren Ankauf sie eigentlich gedacht waren. Alles übrige floß in die besagten Provisionen. Es würde schwerfallen, sich ein finanztechnisch ungeeigneteres Unternehmen für Investoren auszudenken".