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    Montag, 13. August 2018, 16:52

    Der Internationale Frühschoppen 1952/53 bis 1987

    Sofern man die Nachfolgesendung "Presseclub" dazurechnen will, ist der "Internationale Frühschoppen" das langlebigste politische Format des öffentlich- rechtlichen Fernsehens überhaupt. Mein alter Herr war in den 60er Jahren ein relativ häufiger Zuschauer dieser Sendung, die stets Sonntagmittags um "Punkt 12" begann. Gegessen wurde bei uns meist gegen Eins, so daß für uns der zeitliche Rahmen einigermaßen perfekt paßte. Natürlich habe ich die Sendung in dieser Zeit als Kind beiläufig mitbekommen, bewußt angeschaut habe ich sie mir erst ab ca. Mitte der der 70er Jahre, ohne allerdings regelmäßiger "Kunde" dieses Ausnahmeformats geworden zu sein.
    Alles begann am 6. Januar 1952, als der Journalist Werner Höfer zum ersten Mal im Hörfunkprogramm des Westdeutschen Rundfunks den "Internationalen Frühschoppen" moderierte. Die Gesprächsrunde wurde schnell so beliebt, daß sie ab 30. August 1953 auch live im Fernsehprogramm der ARD ausgestrahlt wurde. Das Format wurde insbesondere in den 60er und 70er Jahren zu einer gesellschaftlichen Institution und 1987 in der bisherigen Konstellation unter m.E. mehr als fadenscheinigen Gründen eingestellt. Ersetzt wurde es durch den "Presseclub", der jedoch nie die Popularität seines Vorgängerformats erreichen konnte, nicht zuletzt bedingt durch den Generationenwechsel in der Riege der teilnehmenden Journalisten und Moderatoren.
    Wie auch immer: das Vorbild des "Frühschoppens" kam aus Amerika und hieß "Meet the Press", ein TV- Format, das gleichfalls an Sonntagen ausgestrahlt wurde. Völlig neu im deutschen Nachkriegsrundfunk resp. Fernsehen war die Einrichtung einer Talkrunde mit fünf bis sieben internationalen Journalisten und einem Moderator in ihrer Mitte, die sich meist rauchend und weintrinkend über aktuelle politische Themen austauschten. Insofern handelte es sich gleichzeitig auch um die erste Talkshow überhaupt im deutschen Fernsehen.
    Bis zum 20. Dezember 1987 wurden insgesamt 1.874 Folgen der Reihe ausgestrahlt. Moderator von der ersten bis zur letzten Stunde war der Journalist Werner Höfer, der dadurch zur Stilikone politischer Diskussionsrunden vor allem der 50er und 60er Jahre wurde.
    Höfers Moderationsstil war insbesondere in den 60er und 70er Jahren nicht unumstritten, da er bisweilen zu recht abrupten Themenwechseln neigte, sich oft als "führendes Zentralgestirn" der Diskussionsrunden und im Lauf der Jahre als mehr oder weniger unangreifbare mediale Institution sah. Auch neigte er trotz seiner zumindest in der Theorie mit Einschränkungen versehenen Moderatorenrolle oft zu längeren Monologen und Analysen, die bisweilen bis zu einem Drittel der 45- minütigen Sendezeit beanspruchen konnten.
    Für viele Zeitgenossen der 60er/ 70er Jahre gehörte der "Frühschoppen" damals zum sonntäglichen Fernsehritual, das von der unverwechselbaren Stimme eines Egon Hoegen über viele Jahrzehnte angekündigt wurde. Nach dem Ende der Diskussionsrunde bestand für den Zuschauer die Möglichkeit, den anwesendenden Journalisten telefonisch Fragen stellen zu können.
    Häufige Gäste waren je nach Schwerpunktthema Persönlichkeiten vom Range eines Peter Scholl- Latour, Jens Feddersen, Rudolf Augstein, Sebastian Haffner, Roshan Dhunjibhoy, Henri Nannen, N.S. Portugalow, Don Franklin Jordan, Gerd Ruge, Alfred Grosser, Fides Krause- Brewer, Julia Dingwort- Nussek u.v.a.
    Durch sein über lange Jahre gehaltenes hohes journalistisches Niveau ohne "Überintellektualisierung" wurde der "Frühschoppen" zu einer der erfolgreichsten Sendungen des deutschen Fernsehens, dessen Direktübertragungen sich stets eine Reihe von deutschsprachigen Sendeanstalten anschlossen.
    1967 erhielt Werner Höfer für seine mit dem "Frühschoppen" erbrachten journalistischen Leistungen den Adolf Grimme- Preis in Silber. Zur eintausendsten Sendung am 21. März 1971 ließ es sich der damalige Bundeskanzler Willi Brandt nicht nehmen, persönlich in der Sendung zu erscheinen und zu gratulieren.
    Nach der Etablierung des ZDF im Jahre 1963 wollte man am Mainzer Lerchenberg mit einem ähnlichgearteten Format zum "Frühschoppen" in Konkurrenz treten. "Journalisten fragen- Politiker antworten" unter der Moderation von Reinhard Appel erreichte trotz teils brisanter Gesprächsrunden jedoch nie die Popularität des "Frühschoppens" und wurde 1991 endgültig eingestellt.
    Auch in der DDR versuchte Karl- Eduard von Schnitzler mit seinem "Sonntagsgespräch" ein Pendant zur Sendung des Klassenfeindes zu schaffen, was unter den dortigen Rahmenbedingungen jedoch zwangsläufig scheitern mußte.
    Die "Causa Höfer". Bereits 1962 wurden erste Vorwürfe laut, daß der Journalist in den 40er Jahren "Hetzartikel" in nationalsozialistischen Publikationen veröffentlicht hätte, die jedoch weitgehend im Sande verliefen. Im Dezember 1987 erschien im Magazin "Der Spiegel" ein Artikel, der sich mit einem Beitrag Werner Höfers vom September 1943 im Berliner "12 Uhr- Blatt" beschäftigte. Unter dem Titel: "Künstler- Beispiel und Vorbild" sollte Höfer die damalige Hinrichtung des Pianisten Karlrobert Kreiten wegen defätistischer Äußerungen gerechtfertigt und gutgeheißen haben. Bereits im Vorfeld hatten sich einige Boulevardblätter mit der Vergangenheit Höfer´s, oft in reißerischer Form, auseinandergesetzt. Zur Sprache kam u.a. seine journalistische Tätigkeit für die Zeitung "Das Reich" in den 40er Jahren.
    Höfer leugnete zwar jede Verantwortung für den o.g. Artikel; dennoch wurde das Thema ungewöhnlich schnell medial aufgebauscht und seitens des WDR bereits nach kurzer Zeit Höfer die Moderation des "Frühschoppen" entzzogen. Kolportiert wird bis heute, daß es dem Sender nicht ungelegen kam, dem "alten Mann" (Höfer war damals bereits 74) auf diese Art und Weise elegant den Laufpaß geben zu können.
    An harten Fakten bleibt, daß der 1913 geborene Journalist zu den zahlreichen "Märzgefallenen" zählte, die im März 1933, meist aus Gründen der Opportunität, der NSDAP beigetreten sind. 1939 wurde Höfer vom Wehrdienst freigestellt. Nach dem Krieg wurde Höfer zum "Gründervater" des WDR- Regionalprogramms und moderierte Sendungen wie das noch heute im WDR- Rundfunk laufende Format "Das Echo des Tages" sowie im Fernsehen die langjährige Informationssendung "Hier und Heute". 1972 wurde er WDR- Fernsehdirektor und bewarb sich ein Jahr später vergeblich um das Amt des WDR- Intendanten. 1977 verzichtete er aus eigenem Antrieb auf alle beruflichen Ämter innerhalb des Westdeutschen Rundfunks. Werner Höfer starb am 26. November 1997 in Köln.
    Ersetzt wurde sein "Internationaler Frühschoppen" durch den ab 27. Dezember gesendeten "Presseclub", dessen Gewichtung mehr in Richtung deutscher Innen- und Außenpolitik verschoben wurde. Die rasche Umbennennung des Erfolgsformats geschah nicht zuletzt auch deshalb, weil Werner Höfer die Urheberrechte am "Internationalen Frühschoppen" besaß.
    Zur Zeit sind frei zugängliche Clips zum Format eher dünn gesät. Empfehlenswert sind derzeit u.a.:
    www.youtube.com/watch?v=JJG4t_uchlg
    www.youtube.com/watch?v=WgjGKsi8rZ4