Das waren noch Zeiten!

Mittlerweile ist die dreiteilige Produktion, die RTL mit einiger Verzögerung und viel Werbeaufwand als Weihnachts- Highlight auf den Weg gebracht hat, ausgestrahlt worden, und ich möchte hierzu kurz meine persönlichen Eindrücke zum Besten geben.
Man merkt der Produktion an, daß der Sender ordentlich Geld in die Hand genommen hat, um das Sujet auch einem jüngeren Zuschauerkreis nahezubringen. Ich persönlich war angesichts dessen, was RTL ansonsten seinen Zuschauern bietet, durchaus positiv überrascht.
Einige handwerklich- inhaltliche Schnitzer hätten nicht sein dürfen, z.B. bereits die Eingangsszene auf Ellis Island, das erst ab 1892 offizielles Eingangstor für viele Migranten in die Neue Welt wurde. Auch die Verwendung des Gatling- MG´s wurde um einige Jahre vorgezogen. Den Apachen einen Lakota- Dialekt in Anlehnung an "Der mit dem Wolf tanzt" anzuhängen, na ja..., da hätte es sicher andere Möglichkeiten gegeben. Schwerwiegender waren die für mich teilweise kaum lesbaren Untertitel auf meinem 37er Gerät im Arbeitszimmer. Das hätte man technisch sicherlich eleganter hinbekommen können.
Auch unter Berücksichtigung dieser Schnitzer sah ich mich als Westernfan durchaus gut unterhalten, wenn man der Zielsetzung des Senders Rechnung trägt, "Winnetou" einem Publikum, das weitgehend nicht mehr mit der literarischen Vorlage Karl May´s vertraut ist, näherzubringen.
Inhaltlich habe ich in Folge eins vor allem das Weglassen der Figur Klekih Petra´s schmerzlich vermißt, was wohl weitgehend der Verbeugung vor dem heutigen Zeitgeist geschuldet war. Auch die fehlende Herausarbeitung der christlichen Grundhaltung Karl May´s sehe ich als wesentliche inhaltliche Lücke.
Nichts gewesen sein dürfte der Dreiteiler für die Puristen unter den Karl May Fans, die sich eine werkgetreuere Umsetzung gewünscht hätten, sowie für die ausgesprochenen Anhänger der Rialto- Verfilmungen aus den 60er Jahren, die einen Wilke Wotan Möhring mit den Helden dieser Zeit wie Lex Barker oder Pierre Brice vergleichen werden.
Ob sich RTL zu einer Fortsetzung des Sujets entschließen wird, steht noch in den Sternen. Die Einschaltquoten während der Feiertage sollen eher mittelprächtig gewesen sein...

Zitat von »fareast_de«

Die Einschaltquoten während der Feiertage sollen eher mittelprächtig gewesen sein...

Danke für Deine Anmerkungen zu dieser Neuverfilmung. Ich gehöre zu denen, die diesen Film nicht gesehen haben. Das liegt daran, das wir schon seit Jahren kein Fernsehen mehr schauen (also auch keinen Überblick über das Fernsehprogramm haben) und ständige Werbeunterbrechungen während eines Films muss ich mir auch nicht antun (ich denke mal, dass es in dieser Hinsicht nicht besser geworden ist).

Die eher mässigen Einschaltquoten überraschen mich nicht. Für die älteren Generationen sind die Karl-May-Verfilmungen doch sehr stark mit Lex Barker und Pierre Brice verbunden. Es sind auch vor allem Jugenderinnerungen und der Bedarf einer Neuverfilmung dürfte hier eher gering sein. Was die jüngeren Generationen betrifft, so können sie nach meiner Erfahrung mit Karl May eher wenig anfangen. Obwohl unsere Bibliothek so ziemlich alle Karl-Bücher enthält, haben unsere Kinder vielleicht eine Handvoll davon gelesen (beide zusammen). Sie haben ihre eigenen Bücher wie Harry Potter, Tintenherz, Twilight oder Game of Thrones. Das Interesse an Western oder Indianerfilmen ist ziemlich gering bis gar nicht vorhanden und der Filmemarkt ist überfüllt von Superhelden- oder Fantasy-Filmen.

Du wirst überrascht sein: Episode 1 der Winnetou- Neuinszenierung war völlig frei von Werbeunterbrechungen !
Da hat sich ein Großsponsor (Amazon) erbarmt, der nur kurz vor Sendebeginn einmal genannt wurde.
Nicht verstehen konnte ich das Eindreschen auf den Protagonisten Wilke Wotan Möhring als Darsteller des Karl May, wie es in einigen anderen Foren geschah. Ich kannte diesen Schauspieler vorher nicht und fand, das er die Rolle recht gut besetzte und sogar in der ersten Folge eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Karl May aufwies, wie wir ihn von Fotos um die Jahrhundertwende kennen. Auch Karl May war ja nicht gerade von hünenhafter Gestalt.
Die Idee, die Altdarsteller aus den Rialto- Filmen, Mario Adorf und Marie Versini (letztere allerdings nur sehr kurz) und auch einen Gojko Mitic in die Miniserie einzubauen, fand ich gelungen. Auch Ntscho Tschi, Winnetou, Sam Hawkens und die neuerfundene Figur des sehr exzentrischen Santer jr. fand ich gut bis sehr gut besetzt. Weniger gefallen haben mit "El Loco" und vor allem Rattler und sein Kumpan "Ugly Joe", da wurde meines Erachtens eindeutig zu dick aufgetragen.
Skandalös finde ich mittlerweile eher das Verhalten der öffentlich- rechtlichen Sender, die nicht auf Werbeeinnahmen angewiesen sind und sich dennoch nicht in der Lage sehen, eine Karl May- Verfilmung auf die Beine zu stellen, die sich näher an der literarischen Vorlage orientiert. Das werden wir, denke ich, alle nicht mehr erleben .

Die Quoten für die drei Episoden, die über Weihnachten ausgestrahlt wurden, sollen in Folge eins um die fünf Millionen gelegen haben und bis Folge drei auf rund drei Millionen gefallen sein.
Darin noch nicht eingerechnet sind allerdings die Zahlen von der Komplettwiederholung am Neujahrstag.
Wenn diese Zahlen stimmen, dürfte es mit den Planungen zu einer Fortsetzung des Karl May- Epos in 2017 wacklig werden.
Da hat sich RTL mit einiger Sicherheit deutlich mehr erhofft. Trotzdem meinen Respekt für den Mut eines Privatsenders, das Sujet noch einmal einem größeren Publikum nahebringen zu wollen .

Zitat von »fareast_de«

Nichts gewesen sein dürfte der Dreiteiler für die Puristen unter den Karl May Fans, die sich eine werkgetreuere Umsetzung gewünscht hätten, sowie für die ausgesprochenen Anhänger der Rialto- Verfilmungen aus den 60er Jahren, die einen Wilke Wotan Möhring mit den Helden dieser Zeit wie Lex Barker oder Pierre Brice vergleichen werden.

Verglichen mit dem hölzernen Old Shatterhand des Lex Barker war Möhring wesentlich besser bzw. interessanter ...

Zitat von »fareast_de«

Nicht verstehen konnte ich das Eindreschen auf den Protagonisten Wilke Wotan Möhring als Darsteller des Karl May, wie es in einigen anderen Foren geschah.

Welche Foren sind gemeint ? (in den gängigen May-Foren habe ich Kritik an Möhring nur im Forum des Karl-May-Magazins gesehen. Wäre aber neugierig wo es sonst noch um die Filme ging.)

Zitat von »Simpl«

Zitat von »fareast_de«

Nichts gewesen sein dürfte der Dreiteiler für die Puristen unter den Karl May Fans, die sich eine werkgetreuere Umsetzung gewünscht hätten, sowie für die ausgesprochenen Anhänger der Rialto- Verfilmungen aus den 60er Jahren, die einen Wilke Wotan Möhring mit den Helden dieser Zeit wie Lex Barker oder Pierre Brice vergleichen werden.

Verglichen mit dem hölzernen Old Shatterhand des Lex Barker war Möhring wesentlich besser bzw. interessanter ...

Böse Geister der Kritik an den Rialto- Filmen behaupten bis heute, daß Lex Barker im wesentlichen immer nur die gleiche Gesichtsmimik aufgesetzt hätte. Ich finde, daß diese Leute so unrecht nicht hatten...
Für mich ist es allerdings relativ leicht, diese Formate einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Ich habe sie als Kind nur in Form der Eikon- Sammelbildchen zu Gesicht bekommen und erstmals Mitte der 80er angeschaut.

Zitat von »Simpl«

Zitat von »fareast_de«

Nicht verstehen konnte ich das Eindreschen auf den Protagonisten Wilke Wotan Möhring als Darsteller des Karl May, wie es in einigen anderen Foren geschah.

Welche Foren sind gemeint ? (in den gängigen May-Foren habe ich Kritik an Möhring nur im Forum des Karl-May-Magazins gesehen. Wäre aber neugierig wo es sonst noch um die Filme ging.)

Die Kritik an Möhring lief schon in den gängigen Karl- May Foren. Einigen war die Figur des "Old Shatterhand" in der Persons Möhrings zu "mickrig" und zu wenig heldisch dargestellt, andere kannten ihn wohl schon aus anderen Rollen und mochten ihn von vornherein nicht.
Genial fand ich die Szene mit dem Ausdruck der Freude über die erhaltene Pomade. Das war ein klarer Seitenhieb auf die Rialto- Inszenierungen der 60er, in denen zeitbedingt mit diesem Haarpflegemittel nicht gegeizt wurde. Auch ich mußte an Sonntagen dieser Jahre gelegentlich mal vom "Büdchen" eine Tube "Brisk" oder "Fit" für meinen alten Herrn besorgen.

Zitat von »fareast_de«

Die Kritik an Möhring lief schon in den gängigen Karl- May Foren.

Dann sag doch mal bitte welche Du meinst ... Die gängigen sind für mich das Forum der Karl-May-Stiftung, das der Bücherdatenbank und wie gesagt das des Magazins. Kritische Äußerungen zu Möhring finden sich nur in letzterem.

www.karl-may-forum.de . Winnetou- Neuverfilmung 2016: Kritik zum Film. Auf mittlerweile acht Seiten findest Du das gesamte Spektrum.
Zur Verwendung der Gatling- Maschinenkanone muß ich mich etwas korrigieren: das System wurde zwar bereits 1861 erfunden, gelangte aber m.W. erst ab den 1870er/ 1880er Jahren allmählich zum Einsatz. Die erste mir erinnerliche Mitführung von drei Gatling´s erfolgte 1876 bei Custer´s 7. Kavallerie am Little Big Horn, gelangte dort aber aufgrund der Geländeschwierigkeiten nicht zur Verwendung.

Ja, das ist das Forum, das ich meinte, das des Karl-May-Magazins.

Und in Sachen Anachronismen, die haben schon seinerzeit Karl May höchstselbst nicht gestört, wie [z.B.] dieser kleine Dialog aus Old Surehand II hübsch zeigt:

»Ja, das war freilich eine Licenz, welche nicht mit der Wahrheit übereinstimmte.«

»Licenz, Licenz, das ist das richtige Wort. Man nimmt sich die Freiheit, gegen die Wahrheit zu erzählen, um dadurch eine höhere künstlerische Wirkung oder einen guten, befriedigenden Abschluß zu erzielen.

Warum muss eigentlich alles neu verfilmt werden?


Die Karl May Verfilmungen waren damals was besonderes, da der wilde Westen unsere Phantasie noch beflügelte.
Man hätte da auch vieles besser machen können, aber das war für uns Nebensache.
Man denke nur daran, das die Darsteller immer wie aus dem Ei gepellt wirkten, sich aber selten sichtbar pflegten.
Immer die gleiche Kleidung, muss ja schlimm gerochen haben.
In den Neuverfilmungen gibt es solche Ausschnitte.


So kann man aber alles zerreden

Ich persönlich fand El Loco, Rattler und Ugly Joe auch nicht gelungen, was aber auch daran liegt, das die Darsteller nicht in das Wildwest-Schema passen.

Ein Maxl Graf oder Josef Offenbach wären damals auch eine unglaubhafte Besetzung gewesen.

Unabhängig von den alten Verfilmungen gesehen, war es meiner Meinung nach nicht schlecht gemacht.


Eben Abenteuerfilme.


Nur für wen?


Die Jugend heute interessiert das doch überhaupt nicht
und uns hätten die alten Verfilmungen genügt.


Aber wie immer, alles Geschmacksache