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    Gestern, 15:30

    The American Corner - Animositäten gegenüber eingewanderten Deutschen im 19. Jahrhundert ?

    Die starke Präsenz deutscher Einwanderer im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde durchaus von nicht wenigen "alteingesessenen" Angloamerikanern mit zunehmender Sorge betrachtet. Die Nachfahren der Puritaner (und anderer früher Einwanderungsgruppen) gehörten in der Regel verschiedenen protestantischen Kirchen an und legten zumeist großen Wert auf eine strenge Auslegung der Sonntagsheiligung. Viele von ihnen waren darüber hinaus Anhänger der Abstinenzbewegung (wenn man so will, frühe "Drogengegner") und forderten dementsprechend ein Verkaufsverbot alkoholischer Getränke. Ihre Lebens- und Denkweise unterschied sich trotz ihrer ethnischen Verwandtschaft in mancherlei Hinsicht von der ihrer deutschen Nachbarn, so daß daraus eine Reihe von Vorurteilen entstanden. Deutsche Siedler wurden von den "Yankees" meist als sparsam und fleißig eingestuft und waren als Farmer und Handwerker durchaus geschätzt. Mit Mißfallen wurde jedoch zur Kenntnis genommen, daß viele deutschstämmige Siedler den Sonntag eher zur Erholung als zur spirituellen Erbauung nutzten und sie dementsprechend in ihren zahlreich vorhandenen Wirtshäusern einem guten Sonntagstrunk durchaus nicht abgeneigt waren.
    Die seitens der Deutschen den "Yankees" zugeschriebenen Charaktereigenschaften lassen sich dagegen etwas vereinfacht mit dem Oberbegriff "smart" umschreiben. Dieses Adjektiv hat zahlreiche Bedeutungen, die sich die Angloamerikaner teilweise selbst auf den Leib schrieben, wie intelligent, geschickt, flink oder schlagfertig. Deutsche verbanden damit oft eher eine negativere Konnotation dieses Wortes wie z.B. geschäftstüchtig oder gerissen, was dazu führte, daß nicht wenige deutschstämmige Einwanderer zwar eine hohe Achtung vor dem amerikanischen Regierungssystem hatten, jedoch oft weniger vor ihren angloamerikanischen Nachbarn, deren Wesen sie schnell durchschauten. Mitunter behaupteten sie sogar, die politischen Ideale der Neuen Welt besser zu verstehen als die Angloamerikaner selbst, die oft eher durch Zufall in diesem Land geboren waren. Der 4. Juli diente manchen Deutschamerikanern dazu, ihren Patriotismus für die neue Heimat mitunter sogar provokativ zur Schau zu stellen.
    Die von der angloamerikanischen Bevölkerung abweichenden Lebensformen deutscher und auch irischer Einwanderer, Konkurrenzneid auf dem Arbeitsmarkt insbesondere in Wirtschaftskrisen und vor allem die Zugehörigkeit zur katholischen Amtskirche (ein rundes Drittel der deutschen Einwanderer gehörte dem katholischen Glauben an) führten unter Teilen der "Einheimischen" zu Überfremdungsängsten und zu frühen Forderungen nach Einwanderungsbeschränkungen. Ihren Höhepunkt erreichte die fremdenfeindliche Stimmung Anfang der 1850er Jahre, als die "American Party" (Know- Nothing Bewegung) unter dem Motto "Wessen Land ist dies eigentlich ?" (Whose country is that anyway ?) beachtliche Wahlerfolge verbuchen konnte. In vielen aufblühenden Städten dieser Jahre mit starkem deutsch- irischem Bevölkerungsanteil kam es zu physischen Auseinandersetzungen, beispielsweise bei den Chicagoer "Bierkrawallen" (beer riots) von 1855, wo es zu Schlägereien zwischen der Polizei und deutschen Immigranten kam, die eine Beschneidung ihres Rechts auf Bierkonsum befürchteten. Mitunter kam es sogar zu Fällen von Lynchjustiz, wie in West Bend/ Wisconsin, wo ebenfalls 1855 Deutsche einen nativistischen Angloamerikaner lynchten, der wiederum vorher einen Deutschen getötet hatte.
    Der politische Einfluß der "Know- Nothing Bewegung" war zwar nur von kurzer Dauer, dennoch blieben zahlreiche Vorurteile gegenüber deutschen Einwanderern bestehen. Was zum Teil auch darin begründet lag, daß viele Deutsche insbesondere in Regionen mit hohem deutschen Bevölkerungsanteil wie Pennsylvania noch Jahrzehnte nach ihrer Einwanderung wenig Neigung zeigten, die englische Sprache zu lernen oder ihren Lebensstil zu ändern. Stark ethnisch geprägte Viertel wie "Little Germany" in New York oder "Over the Rhine" in Cincinnnati/ Ohio, deutsche Schulen, Zeitungen und Kirchengemeinden erleichterten deutschen Neuankömmlingen zwar ungemein den Zugang zur Neuen Welt, zugleich wurden sie jedoch gelegentlich auch als "Zeichen mangelnder Anpassungsbereitschaft" misinterpretiert.
    Zwar identifizierte sich der Masse der deutschen Einwanderer mit einer der beiden großen amerikanischen Parteien. Kleine Gruppen von "Forty Eighters" und späterer Immigranten, die z.B. aufgrund von Bismarcks Sozialistengesetz auswanderten, wurden jedoch von den Angloamerikanern mit Argwohn betrachtet, da sie sozialistische Ideen verbreiteten, die als unvereinabr mit den amerikanischen Grundwerten betrachtet wurden. Ihren Höhepunkt erreichten amerikanische Aktivitäten gegen deutsche Aktivisten im Jahre 1866 in der sogenannten "Haymarket Affair" von Chicago, als deutsche Anarchisten beschuldigt wurden, Polizisten durch Bomben getötet zu haben. Obwohl schlüssige Beweise fehlten, wurden sie in einem Schauprozeß zum Tode verurteilt und hingerichtet.
    Um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert stellten die deutschen Einwanderer und ihre Nachkommen mehr als zehn Prozent der amerikanischen Bevölkerung dar. Die meisten Siedler aus den Staaten des Deutschen Bundes und späteren Deutschen Reiches waren nun schon seit Jahrzehnten im Land, und angesichts geringerer Nachzüge gab es weniger neue Impulse für ein ethnisches Gemeinschaftsleben. Eine gewisse Heterogenität der Deutschamerikaner, die ökonomisch- gesellschaftliche Integration und die zunehmende Akkulturation führten insbesondere in den urbanen Ballungszentren zu einem schleichenden Verfall der ursprünglichen nationalen Identität. Immer mehr deutschsprachige Zeitungen stellten ihr Erscheinen ein, und immer weniger Gottesdienste wurden in der Sprache Martin Luthers abgehalten. Organisationen wie der "Deutsch- Amerikanische Nationalbund" wahren zwar bemüht, diesen Wandel zu stoppen, ihre kulturellen Aktivitäten wurden jedoch von vielen bereits assimilierten Deutschamerikanern eher mit Gleichgültigkeit wahrgenommen. Der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg im April 1917, in dem urplötzlich alles Deutsche als landesverräterisch unter Verdacht gestellt wurde, kam für viele bestens integrierte Deutschamerikaner wie ein Schock, er stellte z.B. durch die nun häufig vorgenommene Anglisierung der Familiennamen jedoch weniger eine spontane Abkehr von der ethnischen Identität als vielmehr eine starke Beschleunigung eines allmählichen Verfallsprozesses dar.

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    Heute, 16:06

    The American Corner - Carl Schurz, einer der prominentesten Deutschamerikaner

    Nicht zuletzt durch die Tatsache, daß er als erster gebürtiger Deutscher Mitglied des Senats der Vereinigten Staaten und zwischen 1877 und 1881 Innenminister unter der Administration von Rutherford B. Hayes war, blieb sein Name als prominentester "Forty Eighter", der in die Vereinigten Staaten emigrierte, in nachhaltiger Erinnerung.
    Geboren wurde Carl Schurz am 2. März 1829 als Sohn des Landschullehrers Christian Schurz und seiner Ehefrau Marianne in Liblar bei Köln, das heute zu Erftstadt gehört. Zwischen 1839 und 1846 besuchte er das Marzellengymnasium in Köln, mußte dieses jedoch aus finanziellen Gründen wieder verlassen und zog nach Bonn, wo er im Juli 1847 als "Externer" die Reifeprüfung bestand und im Anschluß an der Universität Bonn Philologie und Geschichte studierte.
    Während der Märzrevolution von 1848 nahm Schurz am gescheiterten Sturm auf das Siegburger Zeughaus teil, begab sich 1849 über die Pfalz nach Baden und wurde dort aktiver Aufständischer. Nach der Niederlage gegen preußische Truppen flüchtete er zunächst nach Frankreich und von dort in die Schweiz. Im August 1850 reiste er unter falschem Namen nach Berlin, befreite dort seinen früheren Professor Kinkel aus dem Zuchthaus Spandau und floh mit diesem zunächst nach Schottland, das sie im Dezember 1850 erreichten. Im Juli 1852 heiratete er in London Margarethe Meyer, die im Jahre 1856 in der Freien Gemeinde zu Watertown/ Wisconsin den ersten Kindergarten der Vereinigten Staaten gründete.
    Im Jahre 1852 emigrierte Carl Schurz in die Vereinigten Staaten, siedelte sich zunächst in Philadelphia an und wurde dort drei Jahre später Mitglied im Bund der Freimaurer, deren Loge "Herman Lodge No. 125" er angehörte. 1856 siedelte er nach Watertown /Wisconsin über und betätigte sich dort als Landverkäufer. Bald entwickelte sich Schurz zu einem der einflußreichsten Führer der aufstrebenden Republikanischen Partei und hatte großen Anteil an deren Wahlsieg von 1860, nicht zuletzt durch seinen Einfluß auf das Wahlverhalten vieler dort lebender Deutschamerikaner. Aus diesem Grund ernannte ihn der frischgewählte Präsident Abraham Lincoln nach seinem Amtsantritt zum amerikanischen Botschafter in Spanien. Bereits 1862 kehrte dieser jedoch wieder in die Vereinigten Staaten zurück, um nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs in die Unionsarmee einzutreten. Unter der Führung von Franz Sigel stieg er als Ungedienter innerhalb weniger Monate in den Rang eines Generalmajors und zum Divisionskommandeur der Freiwilligenarmee auf. Dies hatte durchaus seinen Grund, denn Schurz befehligte zumeist deutsche Freiwillige, die u.a. an den Schlachten von Bull Run, Chancellorsville, Gettysburg und Chattanooga teilnahmen. Insbesondere nach dem Debakel von Chancellorsville suchte die Nordstaatenpresse die Schuld bei den ethnisch- deutschen Einheiten, deren Angehörige oft erst kurz zuvor in die Vereinigten Staaten eingewandert waren. Eine zur Klärung dieser Anwürfe von Schurz angeregte Kriegsgerichtsverhandlung fand jedoch nie statt.
    Im Jahre 1864 verließ Schurz kurzzeitig die Armee, um am Wahlkampf der Republikaner für die Wiederwahl Abraham Lincolns teilzunehmen. Nachdem er das letzte Jahr des Bürgerkriegs vorwiegend mit Stabsaufgaben betreut war, verließ er im Jahre 1865 die Armee und gründete in Detroit/ Michigan die republikanische Zeitung "Detroit Post". 1867 ließ er sich in St. Louis/ Missouri nieder, wo er Miteigentümer und Redakteur der deutschsprachigen "Westlichen Post" wurde. 1869 wurde er in den Senat der Vereinigten Staaten gewählt, in dem er den Bundesstaat Missouri zwischen 1869 und 1875 vertrat. Dort trat er insbesondere gegen die immer stärker grassierende Korruption unter der Administration von Ulysses S. Grant auf. 1877 berief der neugewählte amerikanische Präsident Rutherford B. Hayes Schurz als Innenminister in sein Kabinett. Dort machte er sich um die rasche Beendigung der Wirren in den Südstaaten nach dem Ende des Bürgerkriegs verdient und leitete einen grundsätzlichen Wandel der Indianerpolitik der Vereinigten Staaten ein, indem er diese zunehmend einer zivilen Verwaltung unterzuordnen begann. In seiner Zuständigkeit versuchte er auch, die amerikanische Bevölkerung stärker für die Erhaltung der Wälder zu sensibilisieren, nachdem dort ein zunehmender Raubbau um sich gegriffen hatte.
    Zwischen 1888 und 1892 wurde Schurz Vertreter der "Hamburg- Amerikanischen Packetfahrt- Actiengesellschaft" (HAPAG) in New York und war im Anschluß bis 1901 Präsident der "National Civil Service Reform League". Bis zu seinem Tod im Jahre 1906 blieb er politisch engagiert und entwickelte sich zunehmend zu einem Gegner der immer mehr globalen und imperialistischen Neuorientierung der amerikanischen Außenpolitik vor allem unter Theodore Roosevelt, der den Einflußbereich der USA ab 1998 nach Ostasien und Lateinamerika ausweitete. Dabei griff er die Forderung "Right or wrong- my country !" von Stephen Decatur jun. auf und prägte sie in folgenden Satz um: "Our country, right or wrong. When right, to be kept right, when wrong, to be put right".
    Carl Schurz starb am 14. Mai 1906 in New York und wurde dort auf dem Sleepy-Hollow-Cemetery beigesetzt. Mark Twain verfaßte einen Nachruf auf den Revolutionär, Soldaten und Politiker in "Harper´s Weekly". 1913 wurde eine Bronzestatue von Karl Bitter in New York City, Morningside Drive, Ecke 116th Street zu seinem Gedächtnis errichtet.

    www.youtube.com/watch?v=zronYdfxQrY